Im Netz der Meister 2
gestand Simone und Dominik in einem ruhigen Gespräch, dass er die Situation im Nachhinein sehr genossen habe, und dass er für diese neue Erfahrung sehr dankbar sei.
Simone dachte zwar später noch oft an ihn, aber sie sah ihn nie wieder.
Praxis Dr. Armin Wenzel
Chiffre W 23 09 62 / Bisheriger Verlauf
Frau S. kommt pünktlich und regelmäßig zu den Terminen und arbeitet engagiert an ihren Zielen. Aufgrund ihrer Intelligenz und ihrer Reflexionsfähigkeit fasste sie die Inhalte der Therapierationale schnell auf. In wenigen Sitzungen erarbeitete sie eine Ausstiegstrategie, gab ihren Nikotinkonsum völlig auf und wurde bisher nicht rückfällig. Anhand von Selbstbeobachtung in Alltagssituationen wurden automatische Gedanken und ihre Auswirkungen auf Gefühlsleben und Verhalten untersucht und das bio-psychosoziale Störungsmodell gemeinsam erarbeitet. Sie konnte Situationen erkennen, die mit erhöhtem Suchtdruck verbunden waren. Schnell erlernte sie antidepressive Basisstrategien. Durch die Erhöhung der Rate angenehmer Aktivitäten und einer rationalen Neubewertung ihrer Situation konnte sie in der aktuellen Selbstwertkrise eine Entkatastrofisierung und Beruhigung sowie eine deutliche Stimmungsaufhellung erreichen und so eine drohende negative Vertiefung ihrer depressiven Entwicklung zum erheblichen Teil selbst meistern. Frau S. beginnt auch, ihre Wünsche nach Ruhe und Unterstützung besser wahrzunehmen, zuzulassen und ernst zu nehmen. Es gelingt ihr schon manchmal, die zunächst auftretenden Gefühle von Nervosität, Unruhe, Trauer und Einsamkeit auszuhalten, ohne sich zwangsweise in hektische Betriebsamkeit flüchten zu müssen.
Frau S. ist nun dabei, alternatives Verhalten zu erarbeiten und auszuprobieren, um die Fähigkeit zur Selbstverstärkung bei ausbleibender Fremdverstärkung weiter zu entwickeln und zu stärken. Statt sich in panischer Flucht vor dem eigenen Gefühlschaos und von der Sehnsucht nach einem aussichtslosen Kampf um Anerkennung in jedes Abenteuer treiben zu lassen, bleibt sie nun schon öfter gelassener und macht zum Beispiel lange Spaziergänge. In diesem noch störbaren Prozess benötigt sie jetzt noch weitere Unterstützung und Übung. Die Fortsetzung der kognitiven Verhaltenstherapie ist daher dringend angezeigt.
13
Als Simone und Gerald die Details ihrer Trennung besprochen hatten, ergriff eine kalte Taubheit von ihr Besitz. Sie fühlte sich, als lebte sie in einem Aquarium und könnte die Welt nur durch halb blindes Glas und waberndes Wasser sehen. Verzweiflung, Angst und die Gewissheit, auf der ganzen Linie versagt zu haben, machten sie fast schwindlig.
Sie hatten sich darauf geeinigt, dass Jenny und Julia bei Gerald blieben. Für die Kinder sollte sich so wenig wie möglich ändern. Sie konnten Simone sehen, wann immer sie wollten, das war abgemacht und versprochen.
Zöge sie mit den Mädchen aus, wäre sie eine alleinerziehende, arbeitslose Mutter, die zwar Anspruch auf Unterhalt, aber ihren Kindern nichts zu bieten hätte. Gerald würde das Haus nicht halten können, es müsste verkauft werden, und alle verlören ihr Zuhause. Sie beschlossen, dass Gerald das Haus behalten und abzahlen sollte. Simone würde sich arbeitslos melden, einen Job suchen und später für sich selbst sorgen.
Sie wollte nicht viel aus dem gemeinsamen Haushalt haben, nur ein paar Möbel, an denen ihr Herz hing, Geschirr, Bettwäsche und Handtücher, ein paar Bilder und ihre Bücher. Sie wollte neu beginnen, ohne Ballast, ohne Altlasten.
Sie mietete eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus nahe der Innenstadt. Bröckelnder Putz an grauer Fassade, kunterbunte Klingelschilder, dreißig Parteien in einem Betonklotz aus den Sechzigern. Achtunddreißig Quadratmeter, Nord-Ostbalkon. Zwei Kochplatten über dem Minikühlschrank, ein Spülbecken und ein Hängeschrank waren als »Kitchenette« in einer Ecke des Wohnzimmers untergebracht. Das winzige Schlafzimmer, in das nur ein Bett und ein schmaler Schrank passten, hatte einen zweiten Zugang zum geräumigen Balkon. Das Bad war grün gefliest, hatte vergilbte Fugen, kein Fenster, aber eine große Wanne.
Die Wohnung lag gut, sodass Simone kein Auto brauchte. Supermarkt, Straßenbahn, kleine Geschäfte waren in wenigen Minuten zu Fuß zu erreichen. Der Preis spielte eine Rolle: Sie hatte eine Wohnung gesucht, die sie auch mit Arbeitslosengeld würde halten können.
Als sie den Vertrag unterschrieben hatte, Gerald vom Sparbuch die erste Miete überwiesen und Simone
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