Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Netz der Meister 2

Im Netz der Meister 2

Titel: Im Netz der Meister 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Berling
Vom Netzwerk:
Lottoannahmestellen, in Solarien, in Kaufhäusern. Die Stellen, die samstags in der Zeitung standen und für die sie qualifiziert war, waren so selten, dass sie damit niemals ihre Pflichtbewerbungen schaffen konnte. Wenn sie nichts riskieren wollte, musste sie das Geld in solch sinnlose Bewerbungen investieren.
    Simone wurde nie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Selten kamen die Bewerbungsunterlagen zurück, und wenn, dann waren sie oft zerknickt oder angeschmutzt und nicht mehr zu gebrauchen. Manchmal gab es Absagen mit Standardformulierungen. Irgendwann begann Simone, die Bewerbungen zu fälschen. Das war billiger und ersparte ihr zudem den Frust der Absagen und das Gefühl, draußen in der realen Welt nicht mehr gebraucht zu werden.
    Simone verkaufte im Internet einen Teil ihrer Kleidung. Das meiste passte sowieso nicht mehr, denn nach sechs Monaten hatte sie fünf Kilo zugenommen. Sie bewegte sich kaum und ernährte sich ungesund. Den Gewinn aus den Verkäufen investierte sie in gebrauchte Garderobe, die sie im Netz ersteigerte. Wenn Miete, Strom, Flatrates für Internet, Telefon und Handy, Zigaretten und Lebensmittel bezahlt waren, blieb kein Geld für neue Kleidung übrig. Es blieb auch kein Geld für den Friseur, und Simone begann, sich die Haare selbst zu färben. Sie wurden nach ein paar Monaten struppig und trocken, fielen glanzlos und viel zu lang über die Schultern. Simone fuhr nur noch einmal im Monat nach Köln zum Stammtisch, vierzehn Euro Fahrgeld und drei für eine Cola waren zu viel.
    Einmal traf sie sich dort mit Ute und Kalle. Die beiden wussten, dass sie sich von Gerald getrennt hatte, wie sie jetzt lebte, wussten sie nicht. Niemand wusste das. Simone hatte das Gefühl, dass Ute erschrak, als sie sich gegenüberstanden.
    »Hast du zugenommen?« fragte sie und Simone nickte. »Wechseljahre, da kann man nichts machen«, sagte sie lahm.
    Ute ging an diesem Abend nicht darauf ein. Sie rief Simone am nächsten Tag an. »Was ist mit dir los?«
    »Nichts, wieso?« »Wenn ich mal ganz ehrlich sein darf, Simone?«
    »Klar.«
    »Du sahst nicht gut aus gestern. Ich hab dich fast nicht erkannt, die langen Haare, ein paar Kilo mehr, blass, Ringe unter den Augen. Was ist los mit dir?«
    Simone reagierte barsch: »Ute, was soll schon los sein? Ich lebe getrennt und das hat seine Spuren hinterlassen. Und dass ich meinen Buchladen schließen musste, war auch ein schwerer Schlag für mich.«
    »Und was machst du jetzt?«
    »Wie meinst du das?«
    »Wo arbeitest du, wovon lebst du?«
    Simone antwortete prompt: »Ich bin freiberufliche Lektorin.«
    »Tatsächlich? Und davon kann man leben?«
    »Wie du siehst. Ist noch was, Ute?« Simone hatte keine Ahnung, warum sie so schnippisch war.
    »Wie bitte?«, sagte Ute.
    »War das alles, was du mir sagen wolltest? Dass ich scheiße aussehe, dass ich fett geworden bin und dass du mir nicht glaubst, dass ich arbeite?«
    Man konnte hören, dass Ute nach Luft schnappte. Sie schwieg einen Moment, dann sagte sie: »Brauchst du Hilfe, Simone?«
    »Nein. Vielen Dank. Es geht mir gut«, sagte Simone und legte auf.
    Dann fing sie an zu heulen, unvermittelt und heftig.
    Was war das für ein Leben, das sie jetzt führte? Sollte es so weitergehen? Simone wusste es nicht. Sie wollte nicht darüber nachdenken. Sie loggte sich im Chat ein.
    Ihre Pfunde, ihr alterndes Gesicht, das ungepflegte Haar, die hängenden Mundwinkel waren nach kurzer Zeit vergessen.
    Sie flirtete, bot sich an, zog sich zurück, und begann das Spiel im nächsten Chat von vorn. Hier war sie die alte Simone: begehrt, attraktiv, sexy.
    Ute rief am nächsten Tag wieder an. Simone sah ihre Nummer auf dem Display und ging nicht dran. Nach einer Woche versuchte Ute es nicht mehr.
    Simone hatte sich im HLF mit Diana angefreundet. Diana war sehr dick und hatte hennarote Haare bis zum Hintern. Sie gehörte seit Jahren zum Urgestein im Forum und gab offen zu, dass sie arbeitslos war und zu viel Zeit hatte. Niemand, den Simone kannte, hatte sie je real gesehen. Diana hatte bisher mehr als dreißigtausend Beiträge und Postings verfasst, sie gab zu jedem Thema ihren Senf ab. Sie schrieb witzig und pointiert und war sehr beliebt, weil sie vieles unverblümt und ohne Umschweife auf den Punkt brachte. Diana war alles andere als hübsch, aber sie hatte für jeden ein offenes Ohr und war auf intelligente Art unterhaltsam.
    Simone chattete täglich mit ihr und fühlte sich ihr sehr verbunden.
    Als Diana ihr zum Geburtstag

Weitere Kostenlose Bücher