Im Netz des Spinnenmanns: Thriller (German Edition)
schließen. Sie musste sehen, was sie eigentlich nicht sehen wollte. Funken und Blitze zuckten und explodierten in ihrem Gehirn. Und dann leuchtete sein Gesicht in lebendigenFarben vor ihr auf. Sie musste sich mit beiden Händen an der Wand abstützen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Er war es – er trug einen Mundschutz und Gummihandschuhe und streckte seine Hand nach …
»Was zum Teufel machen Sie hier?«
Die Frau packte Lizzy am Arm und riss sie aus ihrer Trance. »Verschwinden Sie auf der Stelle oder ich rufe die Polizei!«
Lizzy riss sich los und lief zu den Schlafzimmern. Sie nahm sich eins nach dem anderen vor, schaute in die Schränke und unter die Betten. »Sophie, bist du hier? Sophie!« Ein paar Minuten später kam sie frustriert und niedergeschlagen zurück.
Jared empfing sie am Ende des Flurs und versuchte, sie in Richtung Tür zu bugsieren, aber sie rührte sich nicht vom Fleck. »Ich glaube, er war Arzt«, sagte sie. »Und das hier war sein Haus.« Sie deutete auf die Glasschiebetür in der Küche. »Durch diese Tür bin ich bei meinem ersten Fluchtversuch nach draußen entkommen.«
Lizzy hörte, wie die Frau von der Küche aus die Polizei anrief. Ihr Blick fiel auf die Stelle im Wohnzimmer, wo die Couch gestanden hatte – der Ort, wo sie den Spinnenmann schlafend vorgefunden hatte. Kalte Schauer liefen ihr den Rücken hinunter, als sie sich an jenen Tag erinnerte – und daran, wie friedlich er ausgesehen hatte. So völlig normal.
Jetzt befand sich dort eine andere Couch – ein in der Mitte durchgesessenes Polstersofa mit olivgrünen, kronenförmigen Kissen.
Jared legte den Arm um sie und schob sie auf den Hauseingang zu. »Wir warten draußen, bis die Polizei kommt.«
Die Hausbesitzerin hielt den Telefonhörer ans Ohr und einen Arm schützend vor ihre Tochter, als Jared Lizzy zur Tür hinausschob.
Die Tür fiel hinter ihnen zu. Sie hörten, wie die Frau den Schlüssel im Schloss umdrehte und ihrer Tochter einschärfte, fremden Leuten nie die Tür zu öffnen.
Dienstag, 16. Februar 2010, 13:23 Uhr
Nach all den Jahren hatte sie endlich beschlossen, nach ihm zu suchen. Endlich war sie heimgekehrt.
Er ließ die Vorhänge wieder zufallen und eilte durch den Flur in das große Schlafzimmer. Da lag sie, auf dem Nachttisch: seine Nikon. Er hatte die Kamera in einem Anflug von Vorfreude auf die Dinge gekauft, die noch kommen sollten. Über die Jahre hinweg hatte er es bedauert, keine Andenken an sein Tun zu besitzen. Gestern Nacht war er lange aufgeblieben, um sich gründlich mit der Kamera, ihren technischen Details und dem Zubehör vertraut zu machen. Die Nikon besaß einen eingebauten Bildsensor, der unter Verwendung eines speziellen Filters Staubpartikel aus den Bildern entfernte. Außerdem hatte sie ein LDC-Display mit einer Auflösung von 920 000 Pixeln und einen schnellen und genauen Autofokus.
Mit der Kamera in der Hand eilte er zu dem Panoramafenster an der Vorderseite des Hauses zurück und schob die Vorhänge einen Spalt beiseite, gerade genug, um Platz für das Teleobjektiv zu haben. Er spielte mit ein paar Knöpfen herum und stellte die Kamera auf automatische Bildfolge ein – vier bis fünf Aufnahmen pro Sekunde. Er blickte durch den Sucher. Die Kamera war handlich und einfach zu bedienen. Zauberei. Er zoomte das Bild heran. Jetzt konnte er buchstäblich den Schweiß auf ihrer Stirn sehen.
Ein Kribbeln lief ihm den Rücken hinunter und schoss durch seinen Körper wie ein Feuerwerk. Das Bild war so klar und deutlich, dass er scheinbar nur die Hand auszustrecken brauchte, um sie zu berühren. Sein Atem ging schneller und er bekam eine Erektion.
Ja
.
Jedes Bild war messerscharf. Lizzy Gardner sah noch genauso aus wie damals. Immer noch so jung, so voller Energie, so lebendig. Sie hatte gerötete Wangen und leuchtende Augen. Aber nicht mehr lange.
Er hätte nie gedacht, dass sie den Mut aufbringen würde, nach ihm zu suchen. Er hatte sie angerufen, weil er ihre Stimme hören wollte. Und natürlich, um sie wissen zu lassen, dass er wieder dawar. Der Gedanke daran, dass er sogar etwas für sie empfunden, ihr getraut und an sie geglaubt hatte, erfüllte ihn mit Trauer. Sie war ein braves Mädchen. Zumindest hatte er das geglaubt. Aber jetzt wusste er es besser. Damals hatte sie ihm versichert, sie würde ihn nie verlassen. Sie hatte auch behauptet, dass sie nie log.
Klick. Klick. Klick.
Nach ihrer Flucht hatte er damit gerechnet, dass sie ihm das FBI ins Haus
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