Im Netz des Spinnenmanns: Thriller (German Edition)
mochte Lizzy. Es kam sonst nie vor, dass jemand ihren Sinn für Humor teilte.
»Na ja«, sagte Lizzy, »ich hab auch nie behauptet, dass ich die Hellste bin.«
Hayley sah Lizzy dabei zu, wie sie im Zimmer hin und her lief und dabei dekorative Kissen an ihren Platz rückte und Heizung und Fernseher einschaltete. »Mach es dir bequem. Ich füttere solange Maggie und koche dir eine Suppe. Die wird dich aufwärmen und dann können wir uns in Ruhe unterhalten.«
Lizzy verschwand in der Küche, machte Schubladen auf und zu, fütterte die Katze und öffnete eine Suppendose. Die Frau bewegte sich wie ein Tasmanischer Teufel. Hayley dachte, dass sie Lizzy eigentlich bei der Arbeit helfen sollte. Der Wille war da, aber aus irgendeinem Grund versagten ihre Beine den Dienst.
Hayley wandte ihre Aufmerksamkeit der Tür zu und inspizierte die vielen Schlösser und Riegel. Wie würde sie hier nur wieder rauskommen? Dabei musste sie unwillkürlich an Brian denken. Schlösser dieser Art waren für ihn kein Hindernis. Warum sollten sie es dann für sie sein? Seit wann besaß sie kein Selbstvertrauen mehr? Früher hatte sie immer geglaubt, dass sie alles erreichen konnte, was sie sich vornahm. Im Vergleich zu ihren Mitschülern war sie überdurchschnittlich intelligent. Sie gehörte zu den obersten zehn Prozent ihrer Klasse, und das, ohne sich sonderlich anzustrengen.
Innere Stärke. Diese Fähigkeit hatte sie früher besessen. Genauso wie Mut, Durchhaltevermögen und Unverwüstlichkeit. Ja, sicher, alle diese Eigenschaften brachten es auf den Punkt. Sie konnte all das abrufen, wenn es darauf ankam, sich einem Mann hinzugeben, der sich in das Gewand des Unrechts kleidete. Aber irgendwann und irgendwie hatte sie unter dem Vorwand, ihre Mutter zu »retten«, ihr Rückgrat verloren.
Und wofür? Ging es Mom jetzt etwa besser als früher?
Bei der Antwort wurde ihr übel.
»Die Suppe ist gleich fertig«, sagte Lizzy. Sie deutete mit der Hand in Richtung Wohnzimmer. »Mach es dir bequem. Ich zieh mich nur mal schnell um und dann können wir essen, okay?«
Hayley nickte. Es entging ihr nicht, dass Lizzy sich ihretwegen Sorgen machte … mehr, als sie nach außen zeigte. Die arme Frau sah aus, als hätte sie einen schlimmen Tag gehabt, den sie sich aus Höflichkeit nicht anmerken lassen wollte. Kaum war Lizzy verschwunden, wandte Hayley sich in Richtung Ausgang. Sie hätte nicht vorbeikommen sollen. Lizzy hatte selbst genug Probleme.
Mittwoch, 17. Februar 2010, 19:09 Uhr
»Ich will dir nicht wehtun, das weißt du doch.«
Sophie saß auf dem Boden. Sie war am Oberkörper mit einem Klebeband an den Bettpfosten gefesselt. Ihre Augen waren fest geschlossen. Dicke Seile schlangen sich um Knöchel und Handgelenke. Er führte sie an den Seilenden herum oder zog sie ins Bad, wenn er sie hin und wieder säubern wollte.
»Komm schon, Sophie, mach die Augen auf. Schau mal, was ich dir mitgebracht habe.«
Nichts. Sie gab ihm nichts. Diese verwöhnte, arrogante Prinzessin kleidete sich gewöhnlich wie eine Nutte und fluchte wie ein Kutscher, aber heute zitterte und stotterte sie wie eine Achtjährige.
»Hör zu«, sagte er und setzte sich im Schneidersitz vor sie hin. »Wenn du deine Augen für ein paar Minuten aufmachst und mit mir redest, verschone ich dich heute Nacht mit meinen Tierchen, okay?«
Ihre Lippen zuckten und Tränen rannen ihr übers Gesicht, aber sonst konnte er ihr keine Reaktion entlocken.
»Wenn du nicht sofort deine Augen aufmachst, Sophie, dann muss ich dir die Augenlider abschneiden, damit sich diese Diskussion nicht ständig wiederholt.«
Sie riss die Augen auf und stieß einen Schrei aus. Er fuhr erschrocken zusammen. »Okay. Das ist schon besser.« Er rückte seineMaske zurecht, damit sie ihm nicht so fest auf die Nase drückte. Dann lächelte er. »Darauf war ich jetzt nicht gefasst.«
Sie blinzelte.
Er zeigte mit dem Finger auf sie. »Lass sie auf, Sophie.«
Ihre Beine zitterten so sehr, dass die Knie buchstäblich aneinanderschlugen.
»Weißt du überhaupt, warum du hier bist, Sophie?«
Sie schüttelte schluchzend den Kopf.
»Hältst du dich für einen guten Menschen?«
Sie brachte ein kaum wahrnehmbares Nicken zustande.
Unglaublich.
Jeder hielt sich für Mutter Theresa. Diesen Teenager-Gören war es egal, mit wie vielen Jungs sie es im Umkleideraum trieben. Sie kümmerten sich einen Dreck darum, ob sie klauten, Schimpfwörter verwendeten oder Drogen nahmen. Alle hielten sie sich für gute, anständige,
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