Im Netz des Spinnenmanns: Thriller (German Edition)
können. Er sah wahrhaftig wie ein braver Bürger aus.
Allmählich verlor sie die Kontrolle über ihren Körper und ihre Arme und Beine wurden schlaff. Er hielt immer noch seine Hand fest auf ihren Mund und ihre Nase gedrückt.
War es jetzt vorbei? Stand sie kurz davor, zu sterben?
Ihre Muskeln waren entspannt und sie konnte sich nicht bewegen. Mit dem letzten Rest an Kraft, derihr noch geblieben war, riss sie den Mund weit auf und biss wie ein Pitbull zu. Sie konnte sein Blut schmecken und der schrille Schrei, der ihm entwich, als er sich wegdrehte, klang wie Musik in ihren Ohren.
Bevor er recht wusste, was sie als Nächstes tun würde, spuckte sie sein Blut auf den Gehsteig, und zwar dorthin, wo sich der Brief befand. Sie hoffte, dass jemand ihn finden würde, bevor es zu regnen anfing. Rasend vor Wut packte er sie an den Haaren und schleifte sie über den Rasen. Er lief so schnell, dass sie mit der Hüfte vom Bordstein abprallte und auf dem Asphalt aufschlug. Dabei spürte sie nicht das Geringste. Ihr Körper fühlte sich taub an, aber geistig war sie voll da. Sie schrie aus vollem Hals, so wie Lizzy Gardner es geraten hatte, brachte aber keinen Laut hervor.
Kapitel 25
Freitag, 19. Februar 2010, 20:24 Uhr
Lizzy stand mit einem zu großen T-Shirt und einer Jogginghose bekleidet im Bad, trocknete sich die Haare und starrte sich im Spiegel an. Ihr linkes Auge zuckte. Sie zeigte mit dem Finger auf ihr Spiegelbild. »Komm schon, du kannst es. Weine endlich, verdammt noch mal! Hörst du mich? Du musst doch etwas empfinden. Heul dich mal so richtig aus. Alle geben dir die Schuld daran, dass auf der Welt schlimme Dinge geschehen, und du kannst immer noch nicht weinen?«
Sie nahm die Zahnbürste aus der obersten Schublade, drückte Zahnpasta darauf und schrubbte Zähne und Zahnfleisch etwas zu fest. Dann spülte sie den Mund gründlich aus und bürstete ihr Haar.
Nachdem sie sich zurechtgemacht hatte, fand sie Jared in der Küche vor, wo er gerade Tee zubereitete. Er trug eine Hose und ein weißes Hemd, dessen Ärmel bis knapp über die Ellbogen aufgekrempelt waren. Die Krawatte lag auf einer Leinentasche neben der Eingangstür. Wegen des gestrigen Vorfalls mit Maggie hatte er beschlossen, für ein paar Tage bei ihr zu bleiben.
Lizzy blickte auf die Stelle, wo Maggies Fressnapf und Wasserschüssel gestanden hatten, und stellte fest, dass Jared alles weggeräumthatte. Ihre Blicke trafen sich. »Die Dusche ist jetzt frei«, sagte sie.
»Danke.«
Als sie ihre telefonischen Nachrichten überflog, versuchte sie so zu tun, als wäre alles in Ordnung, und konzentrierte sich auf kleine Dinge wie das Atmen. Wieder ein Grund dafür, warum sie mit niemandem zusammenleben konnte. Sie versuchte krampfhaft, nach außen hin ruhig und gefasst zu wirken und nicht jedes Mal zu erschrecken, wenn draußen ein Auto hupte oder ein Ast im Wind knarzte.
Sie war fix und fertig, beschädigte Ware. Sie konnte weder weinen noch Gefühle empfinden. Aber verdammt noch mal, sie konnte zusammenzucken, wenn jemand nur mit dem Finger schnippte.
»Du hast zwei Anrufe von Nancy Moreno, der Nachrichtenmoderatorin auf Kanal 10«, sagte Jared, als er heißes Wasser in eine hässliche braune Tasse goss, in der ein Teebeutel hing.
»Wahrscheinlich will sie ein Interview«, sagte Lizzy. Sie würde Moreno auf gar keinen Fall zurückrufen. Angespannt sah sie Jared dabei zu, wie er seinen Tee aufbrühte. Sie fragte sich, ob er sich noch daran erinnerte, wie sie vor langer Zeit Sex miteinander gehabt hatten. Sie hatte mal wieder eine von diesen Anwandlungen. Sie fühlte sich erschöpft und nervös. Nach all dem, was geschehen war, würde sie bestimmt nicht schlafen können.
Jared sah einfach zu korrekt und makellos aus, wie ein perfekter Gentleman. Aus irgendeinem Grund ärgerte sie sich darüber. Am liebsten würde sie seine Haare in Unordnung bringen, ihm das Hemd vom Leib reißen und sehen, was sich hinter dieser coolen Fassade verbarg. Wie er wohl darauf reagieren würde? Sie wollte an seinem Ohrläppchen knabbern, seine Haut schmecken und seine Erregung spüren. Sie wollte sich auf ihn setzen.
Stattdessen ging sie zum Kühlschrank und fischte von ganz hinten zwei Flaschen Bier heraus. »Möchtest du ein Bier?«
»Du hältst etwas vor mir zurück.« Jared ließ seinen Tee stehen, machte beide Flaschen auf und reichte ihr eine davon.
Sie trank einen Schluck, schmeckte jedoch kaum etwas, als ihr die kalte Flüssigkeit die Kehle hinunterlief. Sie
Weitere Kostenlose Bücher