Im Netz des Spinnenmanns: Thriller (German Edition)
Waschmaschine oder eines Wäschetrockners. Aber etwas war da – ein gelegentliches hohles Klopfgeräusch im Garten oder im Keller. Wahrscheinlich der Wind – schwer zu sagen.
Mr. Gilman wandte sich schließlich Brittany zu. Sie blätterte im Mathe-Buch herum und zeigte ihm, welches Kapitel gerade in ihrer Klasse durchgenommen wurde. Trotz des seltsamen Geruchs war das Wohnzimmer sauber und ordentlich.
Als Cathy zu ihr hinübersah, zog Brittany eine Augenbraue hoch – womit sie ihrer Mutter signalisierte, nach draußen zu gehen und im Auto zu warten.
»Es war nett, Sie kennenzulernen«, sagte Cathy zu Mr. Gilman. »Es ist wohl besser, wenn ich Sie jetzt in Ruhe mit Brittany arbeiten lasse.«
Der Mann schien zwar ganz nett zu sein, aber irgendetwas an ihm kam ihr komisch vor. »Ich warte so lange im Auto«, sagte sie und deutete nach draußen.
Mr. Gilman riss die Augen auf. »Da ist es doch viel zu kalt. Wenn Sie nicht heimfahren wollen, können Sie sich gerne eine Zeitschrift nehmen und es sich im Wohnzimmer bequem machen.«
»Nein, das geht schon in Ordnung«, versicherte sie ihm. »Ich habe ein Buch dabei und ich kann ja immer noch die Heizung anmachen.« Jetzt, da er ihr angeboten hatte, zu bleiben, war ihr wohler bei dem Gedanken, draußen zu warten.
Plötzlich krabbelte vor ihr eine Spinne über den Fußboden. Sie zuckte zusammen und musste gleich darauf über das Kreischen lachen, das ihr entwichen war.
Brittany schüttelte den Kopf. Es war ihr sichtlich peinlich. »Aber Mom, das ist doch bloß ein Insekt.«
Die Spinne huschte davon und verschwand in einer Ritze. »Sieht ganz so aus, als müsste ich mal wieder den Kammerjäger kommen lassen«, meinte Mr. Gilman.
Cathy brachte ein verkrampftes Lächeln zustande und ging zur Tür hinaus. Ein kalter Windstoß blies ihr ins Gesicht. Sie ging auf dem Gehsteig zu ihrem Auto und achtete dabei auf jedes Geräusch und jede Bewegung. Als sie den Geruch von frisch gemähtem Gras einatmete, gab ihr das wieder ein Gefühl von Normalität. Der helle Vollmond leuchtete ihr den Weg zum Auto.
War Lizzys Verrückter irgendwo da draußen und beobachtete sie?
Sie unterdrückte den Impuls, ihm etwas entgegenzuschreien. Zum ersten Mal in all den Jahren verstand sie zumindest ein bisschen, was Lizzy durchgemacht hatte.
Ein kalter Schauer lief ihr den Rücken hinunter.
Fühlt es sich so an, wenn man sich vor seinem eigenen Schatten fürchtet?
Cathys Blick wanderte zu dem Haus auf der anderen Straßenseite. Im Wohnzimmer flimmerte der Fernseher. Sie legte ihre Hand auf den Türgriff ihres Autos, blickte noch einmal über ihre Schulter und war erleichtert, im Schein der Küchenbeleuchtung in Mr. Gilmans Haus die Umrisse ihrer Tochter zu erkennen. Sie stieg ein und rutschte hinter das Steuer. Dann verschloss sie die Tür und wartete.
Freitag, 19. Februar 2010, 19:48 Uhr
Hayley Hansen sah zu, wie Lizzy von demselben Mann aus der Turnhalle begleitet wurde, der ihr drinnen die Presse vom Leib gehalten hatte. Bevor Hayley Gelegenheit bekam, mit ihr zu reden, fuhren die beiden in seinem Auto davon. Eigentlich hatte sie Lizzy sagen wollen, dass es ihr leid tat, weil sie neulich so plötzlich verschwunden war und dass sie Lizzys Engagement für Jugendliche wie sie zu schätzen wusste. Auf dieser Welt gab es nicht allzu viele gute Menschen. Sie wusste das aus bitterer Erfahrung.
Hayley gefiel es nicht, was dieser dumme Junge zu Lizzy gesagt hatte. Selbst die Reporterin hätte es besser wissen müssen, aber ihr konnte man wenigstens zubilligen, dass es zu ihrem Beruf gehörte,dumme Fragen zu stellen. Keiner von denen, die sich heute Abend den Vortrag in der Turnhalle angehört hatten, konnte sich auch nur im Entferntesten vorstellen, was Lizzy Gardner durchgemacht hatte. Auch Hayley war nicht mit allen Einzelheiten vertraut, aber sie wusste, wann sie einen Menschen vor sich hatte, der Probleme mit sich herumschleppte.
Jetzt saß sie auf dem Bordstein, die Ellbogen auf die Knie gestützt, und beobachtete die Presseleute. Sie packten ihre Kameras und Scheinwerfer zusammen und verstauten die teure Ausrüstung in ihren Fahrzeugen, ohne sich darüber Gedanken zu machen, welchen Schaden sie angerichtet hatten. Heute Abend hätte so mancher Schüler etwas lernen können, wenn sie nur halbwegs die Möglichkeit gehabt hätten, sich anzuhören, was Lizzy zu sagen hatte. Hayley hatte das alles schon gehört, aber niemand war bisher auf die gleiche Weise zu ihr durchgedrungen wie
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