Im Netz des Spinnenmanns: Thriller (German Edition)
Grund, warum ich hier bin oder warum ich dich anrufe. Mit dir oder mir hat das alles nichts zu tun, sondern mit Sam. Es geht um etwas, das passiert ist, als du und Dad damals im Sommer verreist wart.«
»Was immer es auch ist, Karen, du musst es hinter dir lassen. Es ist nicht gesund, wenn man sich ständig über Vergangenes den Kopf zerbricht. Sam ist glücklich verheiratet und beruflich erfolgreich. Er lebt in einem schönen Haus mit einer schönen Frau. Hab ich dir eigentlich schon erzählt, dass er Cynthia ohne mich nie kennengelernt hätte? Sie war damals meine Nachbarin und …«
»Mom! Hör auf damit! Bitte. Das hast du mir schon tausend Mal erzählt. Ich weiß – wenn du nicht gewesen wärst, wären Sam und Cynthia sich nie begegnet. Sam ist ja so perfekt und so klug! Sam dies, Sam das.« Nichts hatte sich geändert – und genau das war der Grund, warum sie damals diese Dinge getan hatte. Aber Sam konnte ja nichts dafür, dass seine Mutter ihn verwöhnte und auf ein lächerlich hohes Podest hob.
»Ich weiß nicht, was du von mir willst, Karen.«
»Ich möchte, dass du mir hilfst, ihn zu finden. Ich war bei seinem Haus. Dort ist niemand. Ich hab zu jeder vollen Stunde seine Nummer angerufen. Niemand geht ran. Heute hab ich bei den Nachbarn geklingelt. Keiner von denen hat einen blassen Schimmer, was Sam und Cynthia beruflich machen. Das ergibt doch alles keinen Sinn, Mom. Wo sind sie?«
»Vielleicht sind sie in den Urlaub gefahren.«
Karen traute ihren Ohren nicht. Entweder verschloss ihre Mutter die Augen vor der Wahrheit oder es war ihr schlicht und einfach egal. Sie hatte die ganze Zeit geglaubt, dass ihre Mutter Sam bevorzugte, aber vielleicht stimmte das gar nicht. Ihre Mutter interessierte sich nur für sich selbst. Ihre Eltern waren die egoistischsten und gleichgültigsten Menschen, die sie kannte. Sie schloss die Augen und atmete tief durch. »Denk noch mal genau darüber nach, wo er arbeitet, Mom. Mehr verlange ich nicht von dir und dann lass ich dich in Ruhe.«
»Ich hab dir doch schon gesagt, er ist Arzt.«
»Hast du eine Ahnung, wie viele Dr. Jones es allein in Sacramento und Umgebung gibt? Hunderte, vielleicht sogar Tausende.«
»Weißt du … da fällt mir gerade ein, dass Cynthia mir eine Postkarte geschickt hat, als Sam vor ein paar Jahren in ein neues Bürogebäude umgezogen ist.«
Karens Puls ging schneller. »Wann? Wo?«
»Halt, das war anders … er ist nicht umgezogen, sondern hat sich mit einem anderen Arzt in einer Praxisgemeinschaft zusammengetan.«
Karen ließ ihre Mutter einen Augenblick nachdenken. Wenn sie sie jetzt bedrängte, würde das ihre Mutter nur verärgern und der Streit ginge von Neuem los.
»Mir fällt der Name seines Partners nicht ein … hmmm. Vielleicht habe ich die Postkarte noch, aber es wird eine Weile dauern, bis ich sie finde. Ich hab so viele Kartons in der Garage … ich weiß nicht so recht.«
»Ruf mich einfach an, wenn du was findest. Du hast ja meine Nummer.«
»Also gut, meine Liebe. Ruh dich ein bisschen aus. Du klingst müde.«
»Gute Nacht, Mom.« Sie klappte ihr Handy zu und ließ sich auf die Bettkante fallen. Die Schlagzeilen der Morgenausgabe der heutigen Zeitung tanzten vor ihren Augen: »MÖRDER LÄUFT FREI HERUM. GEHT LIZZY GARDNER IHM WIEDER INS NETZ?«
Sam, dachte sie. Wo bist du?
Das letzte Mal, als ihr Bruder mit ihr Kontakt aufgenommen hatte, war vor vierzehn Jahren gewesen. Er hatte sie angerufen und sich nach den Namen der drei Mädchen erkundigt, die bei ihnen zu Besuch waren, als ihre Eltern jenen Sommer verreist waren. Sie hatte ihn angelogen und ihm gesagt, sie wisse es nicht mehr. Einen Monat darauf erfuhr sie von einer alten Freundin, dass eines der Mädchen bei einem mysteriösen Autounfall ums Leben gekommen war. Ihr Wagen war von einer Brücke gestürzt – einer Brücke, über die sie jeden Tag fuhr. Ein paar Monate später brannte das Haus einer anderen der drei Freundinnen nieder, nach denen Sam gefragt hatte. Das dritte Mädchen von damals hatte eine kleine Schwester … Jordan Marriott, das erste Opfer des Spinnenmannes.
Karen hatte sich zu jener Zeit in Italien aufgehalten, wo sie auch jetzt noch lebte. Sie hätte nie von diesem Spinnenmann gehört, wenn ihr Bruder ihr nicht einen Briefumschlag geschickt hätte, der mit Zeitungsausschnitten über den Autounfall, das Feuer und die Morde vollgestopft war. Unten auf den Umschlag hatte er Folgendesgeschrieben: »Gut, dass du weit weg von
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