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Im Netz des Teufels

Im Netz des Teufels

Titel: Im Netz des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Montanari
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ein Bild vor Augen, die Zeichnung, die Emily in den Staub gemalt hatte, die grobe Skizze eines kleinen Hauses, eines Bauernhauses mit einem Schornstein und Rauch.
    Gute Nacht, mein kleiner Nupp.
    Es war ein Bild, das sich tief in Michaels Herz und Gedächtnis eingebrannt hatte: seine Mutter auf der Feuertreppe, ein warmer Sommerabend, die Skyline von Manhattan in der Ferne wie ein funkelndes Versprechen.
    Neben ihm stand der Strickkorb seiner Mutter. Der Korb, auf dessen Vorderseite ein estnisches Bauernhaus gestickt war.
    Michael spürte, dass sich die Messerspitze seinem Adamsapfel näherte. Mit aller Kraft stieß er Aleks von sich und gewann etwas Zeit. Mit den gefesselten Händen riss er den Strickkorb auf, wühlte darin und ertastete die Nadel, eine dreißig Zentimeter lange alte Minerva-Stricknadel aus Stahl, die seine Mutter für Spitzen benutzt hatte.
    Als Aleks sich anschickte, ihn zu töten, mobilisierte Michael seine letzten Energiereserven. Zeit zum Nachdenken hatte er nicht. Er schwang die Nadel hoch und stieß sie Aleks in die linke Schläfe.
    Aleks schrie auf und taumelte rückwärts. Aus der Wunde strömte Blut.
    Verzweifelt versuchte Michael, aufzustehen und zu Emily auf der anderen Seite des Raumes zu gehen, doch seine Beine trugen ihn nicht mehr. Ehe die Dunkelheit Michael verschlang, sah er Aleks noch durch das Zimmer humpeln. Seine blutunterlaufenen Augen traten hervor, und sein irrer Blick wanderte hin und her. Blut spritzte an die Wände, und seine Stimme ähnelte der eines blutrünstigen Tieres.
    Es tut mir leid, meine Liebe , dachte Michael, als die Kräfte ihn verließen. Das Licht flackerte, und dann wurde es dunkel rings um ihn. Es tut mir leid.

57. Kapitel

    Abby zog verzweifelt an dem Kupferrohr. Das Klebeband hatte sich tief in die Handgelenke eingeschnitten, und sie spürte kaum noch ihre Hände. Doch sie würde nicht aufgeben. Die alten Rohre ächzten und stöhnten, aber es gelang ihr nicht, die Halterungen herauszureißen.
    Sie dachte an ihre Ausbildung und rief sich in Erinnerung, wie man Kraft, Energie und Konzentration mobilisierte, um Krisen zu meistern und eine Vierundzwanzig-Stunden-Schicht zu überstehen. Abby schloss die Augen und sah Charlotte und Emily an jenem Tag in South Carolina in ihren kleinen Bettchen liegen und Michaels strahlendes Gesicht.
    Mit einer letzten Kraftanstrengung gelang es ihr, sich zu befreien. Aus dem kaputten Kupferrohr schoss Wasser. Abby zog das Klebeband von den Handgelenken und dem Mund, rannte durch den Raum und suchte hektisch nach einem Gegenstand, den sie als Waffe benutzen konnte. In einer Ecke entdeckte sie Aleks’ Schultertasche. Sie stürzte sich darauf und riss sie auf. Auf dem Boden der Tasche lagen vier Patronen, die Aleks aus dem Magazin von Kolyas Waffe genommen hatte. Abby holte sie heraus und suchte in dem fast dunklen Raum nach der Waffe. Sie kroch auf allen vieren und rutschte mehrmals im Blut aus. Oben war nichts mehr zu hören, und die Stille war noch furchterregender als die Geräusche.
    Es dauerte nicht lange, bis Abby die 9-mm-Pistole unter dem alten Ofen fand. Sie versuchte, sich zu erinnern, wohin Michael das Magazin geworfen hatte, doch es fiel ihr nicht ein.
    Denk nach, Abby.
    Denk nach!
    Michael hatte die Waffe nach rechts und das Magazin nach links geworfen. Abby stand jetzt da, wo Michael gestanden hatte, und folgte der Flugbahn mit den Augen. Links stand ein Stapel Holzpaletten. Sie rannte durch den Raum und räumte die schweren Paletten zur Seite. Angst und Mutlosigkeit stiegen in ihr auf. Als sie die letzte Palette hochhob, hörte sie ein metallenes Geräusch. In dem düsteren Licht sah Abby das Magazin und fiel auf die Knie. Da ihre Hände voller Blut und Schweiß waren, hatte sie Mühe, die Patronen ins Magazin zu laden.
    »Isa!« , schrie Emily oben.
    »Oh, mein Baby!«, murmelte Abby. Sie schob das Magazin in die Waffe, lud sie durch und rannte die Treppe hinauf.
    Als sie den ersten Stock erreichte und in Michaels altes Kinderzimmer sah, bot sich ihr ein Anblick, der sich für immer in ihr Gedächtnis einbrannte. Der ganze Raum war voller Blut. Emily saß zitternd in einer Ecke unter dem Fenster und hatte die Hände auf dem Schoß gefaltet. Aleks lag zusammengesackt an der Wand neben dem Wandschrank, und aus einer Schläfe ragte eine lange Nadel heraus. Aus der Wunde sickerte Blut. Seine Augen waren geschlossen.
    Dann glitt Abbys Blick zu Michael. Er lag bäuchlings auf dem Boden. Die Rückseite seines Hemdes

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