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Im Netz des Teufels

Im Netz des Teufels

Titel: Im Netz des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Montanari
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überzogen.
    Kurz darauf schlug er die Augen auf, und ihr Leben veränderte sich für immer.
    Letztendlich hatte er nur eine leichte Gehirnerschütterung und eine kleine Fleischwunde auf dem rechten Handrücken. Als Abby ein paar Tage später die Fotos des Wagens, in dem die Autobombe explodiert war, und die Schäden an den nahe gelegenen Gebäuden sah, wunderte sie sich wie alle anderen auch, dass die Bombe ihn nicht auf der Stelle getötet hatte.

    Die Sirene verstummte in der Ferne. Abby schaute auf die Uhr, und dann glitt ihr Blick zu ihren Kindern.
    Die Mädchen waren verschwunden.
    Abby sprang hoch. Sie lief in die Kinderbuchabteilung und schaute hinter allen Regalen und hinter den Sonderständern mit Büchern zum Oster- und Pessahfest nach. Auch auf der Damentoilette fand sie Charlotte und Emily nicht. Abby stieg die Treppe hinunter zu der Abteilung, in der die DVDs und CDs standen. Manchmal suchte sie mit den Mädchen hier einen Film aus. Dort saßen vier Kinder, aber ihre waren nicht dabei. Abby beschleunigte ihre Schritte und kehrte ins Erdgeschoss zurück. Sie wollte gerade einen der Bibliothekare ansprechen, als ihr Blick in der Romanabteilung in einen der langen Gänge zwischen den Regalen fiel und sie die beiden entdeckte.
    Ihr Herzschlag beruhigte sich wieder. Die Mädchen saßen nebeneinander am Ende eines Regals. Auf ihren Schößen lag ein riesiges Buch. Abby ging auf die Kinder zu.
    »Na, meine Damen.«
    Sie hoben den Blick.
    »Ihr dürft nicht einfach weglaufen. Eure Mama hat sich Sorgen gemacht.«
    »Tut uns leid«, sagte Charlotte.
    »Was lest ihr da?« Abby setzte sich zwischen den Kindern auf den Boden, nahm Emily das Buch aus der Hand und schaute auf den Einband.
    Russische Märchen und Legenden.
    »Wo habt ihr das Buch her?«, fragte Abby.
    Emily zeigte auf die unterste Reihe eines Regals ganz in der Nähe.
    Abby blätterte zu der Seite zurück, die die Kinder sich gerade angesehen hatten. Auf der linken Seite war eine große farbige Abbildung, ein kunstvoller Holzschnitt einer Märchenfigur. Es handelte sich um einen großen, dürren Mann mit einem spitzen Kinn, wütenden Augen und knorrigen Fingern. Er trug einen schwarzen Samtmantel und eine glanzlose Krone. Auf der rechten Seite war ein Verzeichnis der Geschichten über Koschtschei, den Unsterblichen. Ein wenig genervt überflog Abby die nächsten Seiten.
    Offenbar gab es eine Reihe unterschiedlicher Versionen der Legende. In einer Version spielten auch ein Prinz und ein grauer Wolf mit, und eine andere handelte von einem Feuervogel. Doch in einem Punkt stimmten sie alle überein: Koschtschei war ein böser Mann, der das Land und vor allem junge Frauen terrorisierte. Auf konventionelle Weise konnte er nicht getötet werden, weil seine Seele vom Körper getrennt war. Solange seine Seele in Sicherheit war, konnte er nicht sterben. In einer der Geschichten stand, dass es eine Möglichkeit gab, ihn zu töten. Wenn man ihm eine Nadel in den Kopf stach, fiel für diesen großen, garstigen Kerl der Vorhang. Die Nadel musste aber zerbrochen sein.
    Eine schöne Kindergeschichte, dachte Abby. Genauso schön wie Wilbur und Charlotte .
    Das Beste war, dass ihre Kinder noch nicht lesen konnten.

    Als sie mit den Kindern wieder im Wagen saß und nach Hause fuhr, stellte Abby fest, dass ihr die Melodie, die die Mädchen im Supermarkt gesummt hatten, nicht mehr aus dem Kopf ging. Sie kannte sie und erinnerte sich an diese Melodie, wie man sich mitunter an ein Gesicht oder einen Menschen erinnerte, der bei einem wichtigen Ereignis im Leben dabei gewesen war: Hochzeit, Beerdigung, Schulabschluss. Sie war so melancholisch, dass es aber mit Sicherheit keine Hochzeit war.
    Abby wusste, es gab nur eine Möglichkeit, die Melodie aus ihrem Kopf zu vertreiben. Sie musste sie durch etwas anderes ersetzen. Daher schaltete sie das Radio ein und wählte einen Sender, der Oldies aus den Neunzigern spielte.
    Zwanzig Minuten später fuhr sie in die Einfahrt. Die Sonne schien, und die Mädchen kicherten mal wieder. Als Abby die Einkäufe auspackte, belästigte sie die mysteriöse Melodie nicht mehr, doch ein ungutes Gefühl war geblieben.

ZWEITER TEIL

6. Kapitel

    Queens ist der größte der fünf Stadtbezirke New Yorks und rangiert von der Einwohnerzahl her an zweiter Stelle. Er liegt im äußersten Westen von Long Island, wo auch die beiden Flughäfen La Guardia und JFK International angesiedelt sind. In diesem Stadtbezirk haben im Laufe der Zeit schon zahlreiche

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