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Im Netz des Teufels

Im Netz des Teufels

Titel: Im Netz des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Montanari
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hatte, arbeitete nun daran, Patrick Sean Ghegan hinter Gitter zu bringen. Ghegans Prozess begann in gut vierundzwanzig Stunden. Michael hatte alles vorliegen: die Untersuchungsergebnisse der Ballistik, die bewiesen, dass Ghegans Waffe bei dem Mord benutzt worden war; eine Gegenüberstellung, die Ghegan eindeutig als den Mann identifizierte, der dabei beobachtet worden war, wie er Colin Harris in seinem Blumengeschäft bedroht hatte; den Film der Überwachungskamera, auf dem zu sehen war, dass Ghegan das Geschäft kurz vor dem Mord betrat.
    Das Einzige, was Michael nicht hatte, jedenfalls nicht in der Form, in der er es brauchte, war die Aussage von Falynn Harris, der Tochter des Mordopfers. Falynn, deren Mutter bei einem Autounfall ums Leben kam, als das Mädchen erst sechs Jahre alt war, hatte seit dem Tag, als sie ihren Vater im Kugelhagel sterben sah, kein einziges Wort gesprochen.
    Heute war Michaels letzte Chance, Falynn zum Sprechen zu bewegen.
    Michael war von diesem Fall regelrecht besessen, und er wusste genau, warum. Auch in der Staatsanwaltschaft war das kein Geheimnis. Falynns Geschichte ähnelte stark seiner eigenen. Er hatte jedes Detail tausendmal überprüft, mit den Waffenexperten ausführlich über die Beweismittel gesprochen und alle, die in den Fall verwickelt waren, persönlich verhört. Michael Roman war im Palast als der Staatsanwalt bekannt, der dafür sorgte, dass alle Beweismittel hieb- und stichfest waren, bevor Anklage erhoben wurde.
    Michael hatte sich schon sechs Mal mit Falynn getroffen. Einmal hatte er sie auch mit in sein Haus in Eden Falls genommen und gehofft, dass sie sich vielleicht öffnen würde, wenn sie etwas Zeit mit Charlotte, Emily und Abby verbrachte. Das Glück hatte er leider nicht. Sie setzte sich immer wieder hin, kroch in ihr Schneckenhaus und kapselte sich – von den kalten Armen des Kummers umschlungen – vollkommen von der Welt ab.
    Wenn der Prozessbeginn nicht verschoben wurde, hatte Michael heute wahrscheinlich die letzte Chance, Falynn auf ihre Zeugenaussage vorzubereiten. Sie war von der Verteidigung vorgeladen worden. Der Richter hatte in dieser Angelegenheit bereits entschieden, und ob es Michael gefiel oder nicht, sie musste in den Zeugenstand treten.

    Michael fand, dass sie jünger aussah als vierzehn und auch jünger als bei ihrem letzten Treffen. Falynn war ein schlankes, jungenhaftes Mädchen mit hellbraunen Augen und kastanienbraunen Locken. Sie trug eine ausgewaschene Jeans, ein burgunderrotes Sweatshirt und abgetragene Frye-Stiefel, die mindestens drei Nummern zu groß für sie waren. Michael fragte sich, ob die Stiefel vielleicht ihrem Vater gehört hatten und sie die Spitzen mit Papiertüchern ausgestopft hatte.
    Und dann ihr Gesicht. Das Gesicht eines traurigen Engels.
    Falynn lebte seit der Ermordung ihres Vaters in einer Pflegefamilie in Jackson Heights. Michael hatte sie von einem Streifenwagen abholen lassen und wartete am Hintereingang auf sie.
    Als sie in den ersten Stock hinauffuhren, überdachte Michael noch einmal seine Strategie.
    Wenn es ihm gelingen würde, sie vor Gericht zum Sprechen zu bringen und in die Gesichter aller Geschworenen zu blicken – nur ein einziges Mal und nur den Bruchteil einer Sekunde –, dann würde Patrick Ghegan mit der Giftspritze im Arm auf der Todespritsche landen. Michael wusste, warum er das unbedingt wollte.
    Als sie den Korridor hinuntergingen, beobachtete Michael Falynn. Sie war aufmerksam und clever und nahm die Umgebung bewusst wahr. Die Weihnachtslichterkette, die oben an der Wand hing und die seit fünf Jahren niemand abgenommen hatte, entging ihr mit Sicherheit nicht.
    Sie durchquerten den kleinen Vorraum und betraten Michaels Büro. Michael zeigte auf das Sofa. »Möchtest du dich hinsetzen?«
    Falynn hob den Blick und lächelte fast unmerklich, doch sie blieb stumm. Sie kauerte sich ans Ende der Couch.
    »Möchtest du etwas trinken?«
    Schweigen.
    Michael griff in den kleinen Kühlschrank neben seinem Schreibtisch, in dem heute Morgen nur eine Dose Mineralwasser und eine Flasche Wodka gestanden hatten. Als Michael und Falynn sich zum ersten Mal trafen, kam sie mit einer Flasche Dr Pepper Cola light ins Büro. Darum hatte Michael schnell noch einen Sechserpack davon gekauft. In der Hoffnung, dass dieser Softdrink noch immer ihr Lieblingsgetränk war, riss er eine Dose aus dem Sechserpack und reichte sie ihr. Falynn nahm sie, öffnete sie nach einem kurzen Augenblick und trank einen

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