Im Netz des Teufels
Leute gewohnt, die in positivem wie negativem Sinne Berühmtheit erlangten: Tony Bennett, Martin Scorsese, Francis Ford Coppola und John Gotti. Queens ist der Stadtbezirk, in dem das kulturelle Angebot am größten ist und in dem mehr als hundert Nationalitäten aufeinandertreffen.
Das moderne, zehnstöckige Gebäude der Bezirksstaatsanwaltschaft in Kew Gardens sah aus, als hätten es fünf verschiedene Architekten und Bauherren gebaut. Es bestand aus zahlreichen Anbauten aus unterschiedlichen Jahren, einer kunterbunten Mischung von Stilrichtungen, Materialien und Bautechniken. Mit über dreihundert Staatsanwälten und fünfhundert weiteren Mitarbeitern war sie eine der größten Bezirksstaatsanwaltschaften des Landes.
Die Abteilungen »Kapitalverbrechen«, »Ermittlungen«, »Gerichtsverfahren«, »Sonderermittlungen« und »Rechtsangelegenheiten« waren nicht nur für die Strafverfolgung von Fällen zuständig, die der Staatsanwaltschaft vom New York City Police Department und anderen Strafverfolgungsbehörden übergeben wurden. Es war auch ihre Aufgabe, in Eigeninitiative Gesetzesbrecher aufzuspüren und bei Verdacht auf kriminelle Handlungen aktiv die Ermittlungen aufzunehmen.
Auch die Bezirksstaatsanwaltschaft hatte ihre eigenen Stars aufzuweisen. Frank O’Connor, ein ehemaliger Staatsanwalt aus Queens, übernahm 1956 in dem Hitchcock-Film Der falsche Mann eine größere Rolle.
Einige Leute, und zwar größtenteils jene, die nicht in den Eliteabteilungen der Staatsanwaltschaft arbeiteten, nannten das Gebäude den Palast. Die Abteilung »Kapitalverbrechen« unternahm nichts, um daran etwas zu ändern. Und während in einem Palast nur ein König herrschen konnte – und das war in diesem Fall der Bezirksstaatsanwalt Dennis R. McCaffrey –, konnte es doch mehrere Prinzen geben.
Als Michael Roman, der unbestritten der Kronprinz der Anklage war, am Tag vor dem Beginn des Ghegan-Prozesses im Palast ankam, hielt sich nur eine Hand voll Leute in dem Gebäude auf. Schon samstags ähnelte der Sitz der New Yorker Justizbehörden einer Geisterstadt, doch sonntags war er wirklich wie ausgestorben. Nur die jüngsten und ehrgeizigsten Staatsanwälte – darunter auch der Staranwalt Michael Roman – verirrten sich ins Büro. Der erste Stock war nahezu menschenleer.
So sehr Michael auch das Stimmengewirr und der Lärm im Büro gefielen, wenn dort hektisches Treiben herrschte, so angenehm fand er es auch, das Büro für sich allein zu haben. Am Wochenende hatte er immer die besten Ideen. Es gab eine Zeit, da war die Mord-Abteilung der Bezirksstaatsanwaltschaft in einem hässlichen, kleinen Gebäude in Jamaica untergebracht, das aussah wie eine kleine Bankfiliale. Und für viele Staatsanwälte, Michael eingeschlossen, war es fast ein Vergnügen, dort, abseits der ausgetretenen Pfade und der kritischen Augen des Chefs, ihre Fälle zu bearbeiten.
Nachdem er fünf Jahre in dieser Außenstelle Strafsachen überprüft und bearbeitet hatte, war er schnell in die Abteilung »Kapitalverbrechen« aufgestiegen. Durch den Prozess und die Verurteilung der Patrescu-Brüder festigte Michael seinen Ruf als fähiger Staatsanwalt. Diese beiden üblen Drogendealer hatten sechs Menschen im Untergeschoss eines Fastfood-Restaurants im Stadtteil Forest Hills von Queens kaltblütig ermordet. Michael und Tommy Christiano arbeiteten damals wochenlang ununterbrochen an dem Fall. Ein Ermittlerteam aus Hunderten von Detectives der Bezirksstaatsanwaltschaft und vom New York Police Department unterstützte sie.
Marku Patrescu war zu sechs Mal lebenslänglich verurteilt worden und verbüßte seine Strafe in der Justizvollzugsanstalt Clinton, die unter dem Namen Dannemora besser bekannt war. Sein Bruder Dante, der auf den Abzug gedrückt hatte, war im März hingerichtet worden. Nachdem Dantes Urteil vollstreckt worden war, hörte Michael interessante Geschichten von Staatsanwaltschaften aus der ganzen Stadt. Offenbar gaben mutmaßliche Täter, denen die unterschiedlichsten Verbrechen zur Last gelegt wurden – Vergewaltigung, Überfall, Diebstahl –, die Hinrichtung von Patrescu als Hauptgrund an, keine Waffe bei sich zu tragen, oder die Waffe, die sie während der Straftat bei sich trugen, nicht zu benutzen. Es waren gerade diese Storys, die einen eindeutigen Beweis für das Prinzip von Ursache und Wirkung darstellten, für die die Staatsanwälte lebten.
Dasselbe Team, das sich unermüdlich für die Verurteilung der Patrescu-Brüder engagiert
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