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Im Netz des Verbrechens

Im Netz des Verbrechens

Titel: Im Netz des Verbrechens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga A. Krouk
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Beleuchtung, um so wenig Aufmerksamkeit wie möglich zu erregen.
    »Gehen Sie.«
    Die Hand stemmte sich in ihren Rücken und schob sie ein paar Schritte vorwärts. Etwas staksend, wie auf Stelzen, durchquerte Juna die Halle ohne sich umzudrehen.
    In ihrem Nacken glaubte sie noch immer den Lauf der Pistole zu spüren. Als sie auf den Rufknopf drückte, öffneten sich die Türen des einen Fahrstuhls und entließen etwas Licht in die Halle. Sie stieg ein, drehte sich um und wählte die zwölfte Etage an. Wer auch immer sie durchsucht hatte, er war bereits weg.
    Aus den Lautsprechern strömten die Klänge eines Wasserfalls, begleitet von den Geräuschen eines Regenwaldes. Das sanfte Locken unberührter Natur, gebannt in einen nach oben strebenden Metallkasten.
    Der Fahrstuhl hielt an. Die Klänge wurden leiser und verstummten, die Türen öffneten sich. Sie trat in einen weiten, fast leeren Raum. Es roch nach Sandelholz.
    Eine Salzkristallleuchte verströmte einen sanften, orangefarbenen Schein, der nicht in alle Ecken vorzudringen vermochte und den Schatten ihr Recht ließ. Die Wände und die Decke waren in Naturholz gekleidet. Ein niedriger Tisch präsentierte eine große Marmorschale, aus der eine Bonsaipflanze wie eine Weide mit unzähligen, lilafarbenen Blüten ragte. An einer Wand stand ein Futon: weißes Laken, schwarze Nackenrolle und eine dünne, zusammengelegte schwarze Decke.
    Mitten im Raum zeichnete sich die Gestalt ihres Vaters ab. In einen schwarz-weißen Taiji-Anzug gekleidet verharrte er, die Knie leicht gebeugt und die Arme angehoben, als würde er jemanden umarmen. Stehen wie ein Baum – er meditierte, und in dem orangefarbenen Licht sah es aus, als würde er schweben. Der Ruhepol ihres so hektisch gewordenen Lebens.
    Ihre Fußsohlen hinterließen kein Geräusch auf dem edlen Holz. Als sie neben ihm stand, schob sie ihr linkes Bein etwas zur Seite und verlagerte ihr Gewicht.
    Es war … wie eine Rückkehr nach Hause. Ihre Arme schienen von der Luft getragen zu sein, nach und nach entkrampfte sich ihr Körper. Die Welt fiel von ihr ab. Keine Fragen mehr, kein Suchen, keine Zweifel. Gleichmut.
    Mit jedem Atemzug fühlte sie sich leichter. Als würde sie sich von einem ruhigen, verlässlichen Strom treiben lassen und müsste sich keine Sorgen mehr machen. Sie brauchte nicht mehr fortzulaufen. Sich nicht mehr nach Verfolgern umzusehen. Die Zeit verlor an Bedeutung.
    Irgendwann nahm sie wahr, wie ihr Vater die Arme sinken ließ. Sie tat es ihm gleich. Noch einen Augenblick blieben sie beide da stehen, dann drehte er sich sachte zu ihr um. Er sagte nichts. Sie war ihm dankbar für diesen Moment, sie wollte so sehr, dass die Stille, von der sie getragen wurde, noch anhielt.
    Schweigend ging er an ihr vorbei zum Futon-Bett und kniete sich davor. Seine Bewegungen wirkten bedächtig und konzentriert, keine Regung zu viel. Aus dem Boden nahm er eine Holzleiste heraus und holte ein Buch hervor. Die Leiste drückte er zurück an ihren Platz und setzte sich auf das Bett. Das Buch lag auf seinem Schoß. Er hielt es sanft zwischen beiden Händen.
    Das Album.
    Das ihre Mutter irgendwann in den Händen gehalten, in dem sie geblättert und ihre kleinen Schätze bewundert haben musste.
    Das Album Also hatte Pawel es nie besessen.
    Es war kleiner, als sie es in Erinnerung hatte. Das Rot war verblasst. Wie die Sowjet-Ideologie. Das Gold der Prägung – das stilisierte Bild eines Feuervogels – war an mehreren Stellen abgerieben.
    Sie setzte sich vor ihrem Vater auf den Boden. Eine Weile hielt er das Buch auf seinem Schoß, bis er es ihr wie eine kostbare Reliquie reichte. Sie nahm es an.
    Behutsam fuhr sie mit einem Zeigefinger über den Riss auf dem Cover, das sie an bessere Zeiten erinnerte – aber früher, früher war doch immer alles besser. »Ich habe so viel falsch gemacht. Bitte verzeih mir.«
    » Das Tao ist das, von dem man nicht abweichen kann; das, von dem man abweichen kann, ist nicht das Tao «, sagte er, ohne von seinen leeren Händen aufzusehen.
    Sie betrachtete die hohe Stirn, seine schmalen Lippen, die etwas zu lange Nase – ihre Nase. Klar definierte Züge, die kein Lächeln entstellte.
    » Ein Dunkles ist, das vollkommen war«, rezitierte er weiter, »ehe Himmel und Erde entstanden;
    ruhig, still,
    es steht allein ohne Wandel,
    es bewegt sich ohne Gefahr.
    Es könnte die Mutter aller Dinge sein.
    Ich weiß seinen Namen nicht
    und nenne es Tao. «
    Sie suchte nach einer Antwort in seinem Gesicht. Wie

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