Im Netz des Verbrechens
Detlev, im gleichen Moment öffnet sich die Tür und Pawel tritt heraus. Er ist sichtlich auf der Hut. Seine Kleidung ist leger und dennoch luxuriös: ein schwarzes Hemd, eine schwarze Hose, schwarze Schuhe. Nur ein bordeauxfarbener Rand an Manschetten und Kragen bringt etwas Akzent in seine düstere Erscheinung. Byk ist sofort bei ihm und schirmt ihn ab – was hat Marc da bloß angestellt?
An Pawels Seite stolpert eine Frau auf das Auto zu. Zuerst erkenne ich sie nicht. Ihr Gang ist wackelig, sie bleibt oft stehen und schwankt, während Pawel sie weiterzieht. Erst als sie an ihrem fast gelösten Pferdeschwanz zupft, weiß ich, wen ich da sehe.
Leah.
War sie die ganze Zeit im Club eingesperrt gewesen? Was hat Pawel mit ihr vor?
Ziellos dreht sie den Kopf von einer Seite zur anderen. Ihr südländischer Teint wirkt grau. Die Haut ist wie um Jahre gealtert, die Wangen eingefallen. Auch auf die Entfernung hin erkenne ich einen blauen Fleck unter dem Auge. Die Arme, die aus den Dreiviertelärmeln ihres Kleides ragen, baumeln fast leblos an den Seiten ihres Körpers. Pawel nimmt die Schlüssel und öffnet ihr galant die Beifahrertür. Leah geht darauf zu wie ferngesteuert.
Das Büro? Pyschka? Mist.
Ich starte den Motor. Ich muss wissen, wohin er Leah bringen will. Ich kann sie unmöglich in seinen Händen lassen. Schon gar nicht in diesem Zustand. Hier geht es um ein Menschenleben. Um eine Frau, die ich womöglich unwissentlich in Gefahr gebracht habe, als ich Juna vor Pawel verstecken wollte.
Irgendwo vorne höre ich einen Wagen scharf bremsen, ein aufgebrachtes Hupen tönt, ein weiterer Wagen bremst. Ein Mann läuft auf die Fahrbahn, direkt auf Pawel zu.
Kay.
Verdammt, nein!
Er ist schon fast bei Leah, ich glaube zu hören, wie er nach ihr ruft. Alle anderen um ihn herum existieren für ihn nicht mehr. Er sieht nur sie. Bevor Byk ihm in den Weg tritt.
Pawel rührt sich nicht. Lässig lehnt er sich an die geöffnete Tür des Porsches, die er für Leah aufgemacht hat.
Ich zwinge mich, ruhig zu bleiben. Jetzt bloß keine Dummheiten machen. Kay hat es bereits für zwei getan.
Pawel sagt etwas, und Byk drängt Kay ein paar Schritte zurück. Leah schwankt, sie scheint nicht ganz da zu sein, und taumelt zum Auto. Pawel lässt sie keinen Moment aus den Augen.
Kay schafft es, Byk eine reinzuhauen. Ich glaube nicht, dass er eine Chance gegen diesen Muskelprotz hätte, aber als Detlev hinter ihm auftaucht, ist alles ganz schnell vorbei. Zu zweit ringen sie ihn zu Boden und fixieren seine Handgelenke. Byk zerrt ihn hoch. Mit einem Kopfnicken deutet Pawel zum Club.
Byk zieht Kay fort, der dagegen anzukämpfen versucht, aber es ist zwecklos. Leah macht einen Schritt auf ihn zu und wird von Pawel abgefangen. Fast ohne Widerstand schiebt er sie auf den Beifahrersitz des Porsches, die Tür wird zugeschlagen. Bevor Pawel selbst einsteigt, sagt er etwas zu Byk, der nickt.
Der Porsche fährt los. Kay schreit Leahs Namen. Ich kann jeden Laut deutlich hören und merke, wie meine Hände sich um das Lenkrad verkrampfen. Er wird in den Club geschleppt. Gegen Byk kommt er nicht an, schon gar nicht gefesselt.
Der Motor meines Wagens läuft noch.
Ich ziehe den Schlüssel aus dem Zündschloss und steige aus. So viel zum Plan, sich im Hintergrund zu halten. Aber ich werde Kay nicht dort drin lassen. Ich weiß genau, was im Club passieren wird.
Ich begrüße Detlev mit einem Kopfnicken. Er scheint mein Auftauchen keinesfalls verdächtig zu finden, also bin ich bei Pawel noch nicht auf der Abschussliste gelandet. Ich zucke zusammen, als die Tür hinter mir ins Schloss fällt. Weiter. Ich durchquere den Raum mit der Tanzfläche, höre Schritte und Stimmen.
Pryschtsch kommt mir mit irgendeinem anderen Typen entgegen, sie unterhalten sich auf Russisch, doch bei meinem Anblick wechselt Pryschtsch auf Deutsch und beendet den Satz mit: »Ne, also, das Tussi kannst du vergessen.«
Ich packe ihn an der Schulter. »Wo ist Byk?«
Pryschtsch holt den Kaugummi aus seinem Mund und rollt die weiche Masse zwischen seinem Daumen und Zeigefinger zu einer fast perfekten Kugel zusammen, die er von allen Seiten betrachtet, bevor er antwortet. »Im Keller. Hat zu tun.«
Ich lasse ihn los. Er grinst mich an, als wüsste er zu genau, was ich wirklich will, und geht mit seinem Kumpel weiter.
Erst jetzt fällt mir auf, wie still es im Club ist. Alles leer. Wie in einem Ferienlager, das man hastig geräumt hat. Ich nehme die Treppe nach unten.
Der
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