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Im Netz des Verbrechens

Im Netz des Verbrechens

Titel: Im Netz des Verbrechens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga A. Krouk
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er sie zum ersten Mal betrachten und könne sie sich unmöglich in seiner Hand vorstellen.
    »Frag mich nicht.« Seine Stimme klingt dünn. Sein ganzes Wesen wirkt wie erloschen und abgestumpft. Das Einzige, womit er bislang geschossen hat, war eine Fotokamera. Nein, er kann unmöglich die Krähe sein. Nicht mit diesem Blick.
    Er lässt sich auf die Stufen nieder, stützt die Ellbogen auf den Oberschenkeln ab und vergräbt sein Gesicht in den Händen. »Ich will sie zurück.«
    »Die Waffe? Vergiss es.« Aber ich bin mir nicht sicher, ob er die SIG meint. Vielleicht ist es Leah, für die er absolut alles tun würde. Auch jemanden umbringen. »Was machst du hier überhaupt? Ich dachte, du bist im Krankenhaus.«
    Er reibt sich das Gesicht. Sein Blick irrt umher und scheint sich zwischen den Leichen und den verschmierten Blutlachen zu verfangen. Er macht nicht den Eindruck, als könnte er noch etwas Vernünftiges sagen. Ich werde ungeduldig. »Kay? Ich werde dich allein lassen müssen, bis die Polizei kommt. Schaffst du es?«
    »Elinor.« Er starrt sie an. Ihr regungsloser Körper in der schwarzen Bluse erinnert an einen toten Schmetterling. »Sie hat mich vom Krankenhaus abgeholt. Mein Wagen steht noch immer irgendwo vor dem Club.« Er macht eine Pause, senkt den Kopf und reibt sich wieder über das Gesicht. Seine Bewegungen sind schwerfällig. »Sie hat mir meine Medikamente gegeben. Glaube ich. Ich bin eingeschlafen.« Er redet, damit ich nicht weggehe. Aber ich muss los.
    Das Pfeifen in meinem Ohr ist kaum auszuhalten.
    »Bis Schüsse gefallen sind«, fährt er fort. »Dann bin ich raus. Rechtzeitig, um dir den Arsch zu retten.«
    »Okay. Pass auf. Ich werde einen Freund anrufen, er ist bei der Polizei. Ich muss …«
    »Es ist mir scheißegal, wen du anrufst und was du musst. Gib mir meine Waffe zurück«, sagt er barsch, als hätte sich ein Schalter umgelegt.
    »Tut mir leid. Ist nicht drin.«
    Er packt mich am Arm. »Letztes Mal war ich unvorbereitet, als ich in den Club gegangen bin. Ich habe Poul unterschätzt. Dieses Mal werden sie mich nicht so leicht aufhalten.«
    Ich befreie meinen Arm aus seinem Griff und drücke fest seine Finger. »Nein!«
    »Ich muss Leah da rausholen.«
    »Du bleibst hier.«
    »Wie kannst du so etwas sagen? Du bist mein Freund!«
    »Genau. Ich kenne die Leute, mit denen du dich anlegen willst. Wenn du dort auftauchst, bist du tot, und das hilft keinem. Ich werde gleich selbst in diesen Club fahren. Und alles, was in meiner Macht steht, tun, um unsere … Mädchen da rauszuholen. Vertraust du mir?«
    Er sieht mich an. Dann nickt er langsam.
    »Kann ich mich darauf verlassen, dass ich mir nicht auch noch Sorgen um dich machen muss?«
    Wieder nickt er.
    »Gut.«
    »Warte auf die Polizei.« Ich muss mich beeilen. Doch neben Elinor bleibe ich stehen und hocke mich hin.
    Ihr Hosenbein ist hochgekrempelt. Auf der Wade, fast ganz verdeckt von dem Holster, ist ein Tattoo. Ich schnalle das Holster ab und betrachte das Bild. Es ist die Silhouette einer Krähe. Fransige, weit ausgebreitete Flügel, der Vogel scheint zum Himmel zu streben und nichts und niemand kann ihn aufhalten.
    »Kay? Das Symbol für das Studio – warum wolltest du ausgerechnet eine Krähe haben?«
    Er hebt den Kopf und schaut mich an. »Die meisten denken, es wäre ein Rabe.«
    »Warum ausgerechnet dieser Vogel?«
    Er zuckt die Schultern. »Elinor hat es vorgeschlagen. Sie hat davon gesprochen, wie eine Krähe ins Totenreich und zurück fliegen kann. Ich fand es … passend.«
    Also Elinor. Ihr Blut vermischt sich mit dem Kaffee aus den zerbrochenen Tassen. Sie hat uns mit dem Hinweis im Postfach hierhergeführt. Sie wusste, dass wir der Spur folgen, und hat nichts gesagt. Warum? Ahnte sie, dass wir überfallen werden? Oder wollte sie einfach nichts in meiner Gegenwart verraten? Sie hat mich schon immer als notwendiges Übel betrachtet.
    Zwischen den Scherben liegen zwei Kraniche, einer von ihnen ist der, den ich ihr aus der Seite des Handbuchs gemacht habe. Ich stecke beide ein.
    Während ich Marc anrufe, steuere ich das Auto an. Die Luft ist so klar, der Regen ist kalt, jeder Atemzug hat etwas Ursprüngliches an sich. Ich lebe noch.
    Marc fragt, was los sei. Ich schildere ihm die Lage. Er ist nicht begeistert, was ihm kaum zu verdenken ist.
    »Du glaubst, sie wurde in den Club gebracht?«
    Es ist schwer, ihn durch das Fiepen in meinem Ohr zu verstehen. Immer wieder denke ich, dass es am Handy liegt und will es schütteln.

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