Im Netz des Verbrechens
Vortrag über die Krähen! Warum hatte sie nicht einfach sagen können: ›Juna, mein Schatz, schön dich zu sehen. Ich habe dich vermisst‹.
»Ich habe dich auch vermisst, Mama.« Ihre Stimme klang verloren.
Tief einatmen, ganz langsam ausatmen. Zu ihrer Rechten stand der Glastisch. Wenn sie es schaffen würde, den Stuhl umzukippen, könnte sie ihn vielleicht zerbrechen und versuchen, mit einer Scherbe ihre Fesseln durchzutrennen. Allerdings könnte sie sich im Fallen genauso gut die Adern aufschlitzen. Sie schnaubte. Keine allzu schlechte Alternative, in Anbetracht dessen, was Byk mit ihr vorhatte.
Sie zerrte mit ihrem Oberkörper zur einen, dann zur anderen Seite. Die Fesseln schnitten sich tiefer in ihr Fleisch, langsam spürte sie kaum noch ihre Glieder. Der Stuhl bewegte sich. Weiter! Noch ein Ruck. Noch einer. Draußen knarzte das Holz – Byk kam zurück. Sie erstarrte. Nein. Bitte. Sie wusste doch nichts. Sie wusste überhaupt nichts!
Sie wollte schreien, doch kein Laut drang aus ihrer Kehle. Er trat herein. Das schwache Licht von draußen erhellte seine Silhouette. »Hat etwas länger gedauert. Du verzeihst?«
Sie schluckte, trocken, denn ihr Mund war wie ausgedörrt. Er machte einen Schritt auf sie zu. Antworten! Sie hatte auf seine Frage zu antworten, so lauteten die Regeln. »Ja. Natürlich«, wandte sie schnell ein. Schwache, krächzende Laute.
»Wunderbar.« Er betätigte den Schalter, und das Licht der Halogenlampen ergoss sich über sie. »Wie ich sehe, freust du dich, mich zu sehen.« Er tätschelte ihre Wange, seine Finger fuhren ihren Hals hinab und zwirbelten an ihren zusammengezogenen Brustwarzen.
Ihr wurde schlecht. Sie wünschte sich noch flehentlicher als zuvor, endlich in Ohnmacht zu fallen.
Byk setzte sich auf das Ecksofa und ließ die Plastiktüte, die er mitgebracht hatte, leicht zwischen seinen Beinen schwingen, während er nachdenklich hineinblickte. »Es wird nichts bringen, mich zu belügen, Juna.« Er stellte den Obstteller beiseite. Behutsam holte er ein Jagdmesser heraus und legte es auf die Oberfläche des Tisches. Es klackte leise. »Ich weiß, dass dein Vater ein sehr einflussreicher Mann war. So einflussreich, dass er für die Regierung Projekte überwachte, die es offiziell gar nicht gab.« Er legte den Kopf schief und sah zu ihr herüber. »Eines dieser Projekte trug den Namen Pandora . Schon einmal gehört?« Mit zwei Fingern korrigierte er die Lage des Messers.
Sie konnte nicht anders, als jede Bewegung seiner kräftigen, behaarten Hand zu beobachten. »N-nein.«
»Es ging um die Frage, wie man effektiv und kontrolliert sehr viele Menschen tötete. Eine sehr wichtige Frage in jenen Umbruchszeiten, in denen niemand wusste, was geschehen wird.« Er richtete die Messerspitze auf Juna und holte aus der Tüte einen Elektroschocker, den er liebevoll daneben platzierte.
Sie konnte den Blick nicht abwenden, aber zumindest gelang es ihr, die Augen zu schließen. »Ich dachte, solche Waffen wären verboten.« Sie hörte kaum sich selbst. Ihr Atem ging schnell und flach. Er nutzte ihre Angst aus, sie musste doch kämpfen! Sie durfte ihm nicht erlauben, ihre Seele zu brechen, wenn sie schon ihren Körper nicht vor ihm beschützen konnte. Trägt ein Weib den richtigen Kern in sich … Die Stimme ihres Vaters verflüssigte sich in ihren Gedanken. Er war nicht da. Niemand war da. Sie saß allein mit Byk in einem winzigen Zimmer und sah zu, wie er seine Folterinstrumente vor ihr ausbreitete. Wozu kämpfen? Niemand würde kommen, um sie zu retten.
»Verboten!« Byk lachte. Er lachte unglaublich freundlich. Überhaupt alles an seiner Stimme, seiner Tonlage trug diese verdammte Freundlichkeit in sich. Sie musste die Lider aufreißen und den Elektroschocker und das Messer vor sich zu sehen, um zu sehen, was seine Freundlichkeit für sie bereithielt.
»Juna.« Er wiegte den Kopf. »Unterbrichst du mich noch einmal, breche ich dir den Kiefer. Wo war ich? Ach ja. Und während dein Vater wirklich ein sehr kluger, gebildeter Mann war, den jeder fürchtete, war deine Mutter eine Diebin. In diesen Kreisen gibt es nur Nutten und Diebinnen. Zugegeben, die Diebinnen gehören zu einer besseren Kaste, auch wenn sie nicht seltener die Beine breit machen müssen.« Er stemmte seinen Fuß gegen die Stuhlkante zwischen ihren Beinen. Die Schuhspitze drückte leicht gegen ihr Schambein. »Was du für Schwänze zwischen deinen Beinen hattest … So einer wie dir, die sogar Bullen reinlässt, hätte
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