Im Netz des Verbrechens
herunterläuft und einfach fort will, fort aus dem eigenen Leben.
»Ich habe sie geliebt, ich habe meine Leah geliebt«, röchelt Pawel. Sein Gesicht läuft rot an. Er versucht nicht einmal, sich zu wehren. Seinen schlaffen Hals zuzudrücken ist, als würde man einen Komatösen erwürgen. »Ich hätte alles, absolut alles für sie getan, ich wollte sogar meine Yacht nach ihr benennen! Aber sie hat mich ausgelacht. Sieh sie dir jetzt an. Jetzt lacht sie nicht mehr. Jetzt habe ich dieses Lachen von ihrer hochnäsigen Fratze ausradiert.«
Ich schaffe es, ihn loszulassen. Obwohl alles in mir danach drängt, ihn einfach zu erwürgen.
Er sackt in sich zusammen, reibt sich den Hals und krächzt: »Bring sie doch zurück zu diesem Kay. Mal sehen, ob er sie noch nimmt. Mal sehen, wie perfekt ihr Leben sein wird, wenn sie jeden Tag mit der Entscheidung beginnen muss, kein Heroin zu nehmen.« Er kichert wieder los.
Ich rufe einen Krankenwagen und gehe zu Leah, die noch heftiger zu zittern beginnt. Ich berühre sie nicht, ich kann mir zu gut vorstellen, wie oft sie hier schon berührt wurde und auf welche Weise. Ich bleibe einfach bei ihr und sage, dass sie es schafft. Ich sage es ihr immer wieder und glaube selbst fest daran.
Pawel murmelt etwas, dass ihm schlecht sei, dass er alles satt hätte, und dass ich Juna nie bekommen werde.
»Was weißt du über Juna?« Ich bin wieder bei ihm, und dieses Mal bin ich mir sicher, dass ich ihn töten werde.
Er schnauft. Im nächsten Moment klappt er zusammen und übergibt sich auf den Teppich. Sein Mageninneres kommt in einem Schwall aus ihm heraus.
Röchelnd wischt er sich mit dem Handrücken über die Lippen. »Fahr zur Hölle«, nuschelt er völlig entkräftet und schafft es nicht einmal, mich anzusehen. »Vielleicht triffst du sie dort wieder.«
Ich höre die Kavallerie kommen. Die schweren, vollbepackten Jungs des SEK, die erst einmal alles festnehmen, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Also auch mich, das Sortieren beginnt später. In wenigen Minuten haben sie den Laden unter Kontrolle.
Draußen kniet Pawel auf dem Bürgersteig und kotzt. Seine Hände sind noch mit Plastikhandschellen gefesselt, sein Körper krampft bei jedem Würgen. Einer der SEK-Jungs stützt ihn zuvorkommend, damit er nicht mit dem Gesicht im eigenen Erbrochenen landet. Leah wurde von den Sanitätern herausgebracht. Ihr Zustand ist stabil. Aber ihr Blick ist noch immer erschreckend leer. Während ich den Blaulichtern hinterherschaue, frage ich mich, ob Kay es verkraften wird, sie so zu sehen.
Marc tritt an mich heran; ich hatte ihn schon die ganze Zeit neben mir gespürt.
»Sie war nicht im Gebäude«, meint er schließlich.
Juna. Sie ist nicht da, und ich habe keine Ahnung, wo ich nach ihr suchen muss. Ich beobachte das Treiben um mich herum, und es will mir nicht in den Kopf, dass alles präzise wie eine Uhr funktionieren kann, obwohl sie noch in den Händen ihrer Entführer ist.
Marc sagt nichts mehr, auch kein ›Wir werden sie finden‹. Das ist das Verlässliche an ihm: Von ihm hört man keine Floskeln, auch wenn man sie manchmal braucht. Uns läuft die Zeit davon, und ich kann sie keine Sekunde aufhalten.
Marc klopft mir auf den Rücken. »Lass uns fahren. Vielleicht kriegen wir aus diesem Pawel etwas heraus.«
Er begleitet mich zu meinem Wagen. Ich liefere ihm den Typen aus dem Kofferraum aus, setzte mich ins Auto, schaffe es aber nicht einmal, den Motor zu starten. Es ist alles so völlig sinnlos. Weil ich nicht bei ihr bin. Weil ich ihr nicht helfen kann.
Ich starre durch die Windschutzscheibe. Es nieselt wieder. Ich denke daran, wie ich sie vor dem Postgebäude im Arm halte und ihren Scheitel küsse, wie ihr feuchtes Haar riecht. Auf dem Armaturenbrett liegen zwei Kraniche. Der eine ist von mir, der andere von Elinor – das Papier ist vom Kaffee aufgeweicht und wölbt sich bereits. Hoffnung spenden sie schon lange nicht mehr.
Ich nehme meinen in die Hand, falte ihn auseinander und lege die Seite zurück ins Handbuch. Schließlich ist es wichtig zu wissen, wie man die Scheibenwischer auswechselt.
Der von Elinor ist kleiner. Wann hat sie ihn gemacht? Ich drehe ihn in alle Richtungen, bis ich merke, dass auf dem Papier etwas steht.
Ich mache ihn auf.
Der Zettel bebt zwischen meinen Fingern. Im Licht der Innenraumbeleuchtung wirkt er beinahe lebendig.
Um 22:00 trifft sich der Tod mit seinem Handlanger. will zurückschlagen.
Dieses Mal gibt es keine Koordinaten – nur ein
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