Im Netz des Verbrechens
Wort. Hellea .
Für einen Moment bin ich wieder im Zug. Alles dreht sich in meinem Kopf, springt hin und her wie das Licht meiner Taschenlampe. Ich muss mich zwingen, mich auf die Botschaft des Zettels zu konzentrieren. Stand der Termin nicht auch in Pawels Kalender? Und hatte er nicht gerade gesagt, ich würde Juna in der Hölle treffen?
Irgendetwas passiert heute auf Pawels Yacht, und Elinor wollte mich warnen. Oder in die Falle locken?
Ich steige aus dem Wagen. Pawel wurde bereits abgeführt, nur noch die Pfütze mit seinem Erbrochenen auf dem Asphalt erinnert an seine Anwesenheit. Ich rufe Marc an. Er geht wie immer sofort ran.
»Wo liegt Pawels Yacht?«
Er muss sich erst einmal orientieren, stellt aber keine Fragen, sondern verspricht, mich gleich zurückzurufen. Fünf Minuten später kenne ich den Standort.
»Danke.« Ich atme tief durch. Auch dabei muss ich an Juna denken, wie sie manchmal völlig entspannt und konzentriert da sitzt und atmet, als wäre es eine ganz besondere Kunst. Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen, als sie zu beobachten. Ich will nicht daran denken müssen, dass es vorbei sein sollte. Dass es sie nicht mehr gibt. »Kannst du die Jungs vom SEK dorthin schicken?«
Jetzt muss er doch noch ein paar Fragen stellen, die ich ihm beantworte, während ich meinen Wagen bereits zum Yachthafen steuere. Und es ist mir völlig egal, dass ich keine Freisprechanlage habe. Er meint, es könnte dauern, bis sich das SEK in Bewegung setzt. Zumal mein Verdacht eher vage ist. »Ich gebe dir Rückendeckung, bis die Jungs da sind. Warte auf mich. Und Danny? Das ist ein Befehl.«
Hinter mir fährt ein Taxi. Manchmal verschwindet es im Verkehrsstrom, manchmal taucht es wieder in meinem Rückspiegel auf. Ich bin mir nicht sicher, ob es mir folgt. Aber als ich in der Nähe des Yachthafens anhalte, fährt das Taxi etwas weiter und hält ebenfalls an. Ich warte, aber es passiert nichts. Schließlich steige ich aus und gehe hin. Das Fenster an der Fahrerseite gleitet hinunter, und Falko dreht sein rundes Gesicht zu mir. Er ist wie immer unrasiert, sein krauses Haar kann die abstehenden Ohren nicht verdecken – Tscheburaschka , wie er leibt und lebt. Die Ärmel seines Pullovers sind hochgerutscht, und auch an den Oberarmen kraust sich das Haar. Der Gurt ist noch umgelegt, die Hände ruhen auf dem Lenkrad, nicht einmal der Motor ist ausgeschaltet.
»Wenn du klug bist, drehst du dich um und verschwindest von hier.« Sein linker Zeigefinger zuckt kaum merklich.
»Und wenn nicht?« Der Wind geht flussaufwärts. Jeder Atemzug schmeckt nach Morast.
»Dann bist du tot. Diese Leute verstehen keinen Spaß.«
»Wer sind diese Leute, Falko?«
Er starrt durch die Windschutzscheibe auf den Yachthafen. »Bei denen gibt es einen Spruch: Wer viel weiß, wird schnell alt. Und noch einen: Kerbe dir das auf der Nase ein.«
Das hätte von Juna kommen können. Das mit der Kerbe und der Nase, anstatt: ›Schreibe dir das hinter die Ohren‹.
Meine Hand umfasst den Außenspiegel. »Arbeitest du für sie? Hast du mich mit Absicht immer wieder auf die falsche Spur gesetzt? Du wusstest von dem Zug. Aber du hast aufgepasst, dass ich nicht die richtigen Fragen stelle, nicht wahr?«
Sein Zeigefinger zuckt etwas deutlicher. »Ich mag dich wirklich, Danny. Also setze dich in deinen Wagen und verschwinde von hier.«
»Mit wem habe ich es hier zu tun? Sag es mir endlich! Wie tief steckst du da drin?«
»Ich sage es nicht noch einmal: Verschwinde von hier.«
»Falko!« Ich schlage auf das Autodach. »Sag mir endlich, was du weißt!«
Aber er tritt einfach aufs Gas und der Wagen braust davon. Ich schaffe es gerade noch, zur Seite zu springen, damit die Reifen mir nicht über die Füße fahren. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als seinen Rücklichtern zuzusehen, wie sie in der Dämmerung verschwinden.
Vor wem hat Falko Angst? Mag sein, dass wir nicht immer einer Meinung waren, aber er ist immer noch ein Polizist. Trotz seiner Ausrutscher und der Gerüchte von den unterschlagenen Beweismitteln – einen Kollegen würde er niemals einfach ans Messer liefern. Was geht hier also vor?
Ich blicke in Richtung Hafen. Was auch immer es ist, ich werde es bald erfahren. In wenigen Minuten ist Marc da. Je weiter ich durch den Hafen gehe, desto sicherer bin ich mir, dass die Hellea das protzige Ungetüm sein muss, das am Ende eines langen Stegs angedockt ist. Die anderen Boote sehen dagegen wie Deko-Schiffchen aus, die man in einer
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