Im Netz des Verbrechens
Flasche auf einen Kamin stellt. Pawels Motoryacht ist beleuchtet, in der Nähe des Wassers sind es blaue Lichter, der Schriftzug Hellea schimmert golden, die zwei Decks erstrahlen im sanften Weiß wie eine Sehenswürdigkeit.
Keiner zu sehen.
Wo ist die Wache? Diese Leute, wie Falko sie nennt, würden keine ungebetenen Gäste auch nur in die Nähe dieser Pracht lassen. Mit der Pistole im Anschlag schleiche mich heran. Aber ich komme nicht weit, bevor der erste Schuss fällt.
31
Seine Hand lag unter ihrem Kinn. Für den Augenblick tat er ihr nicht mehr weh, aber allein diese Berührung sorgte dafür, dass sich ihr ganzer Körper anspannte, bis jeder Muskel, jede Sehne zu zerreißen schien. Juna schluckte krampfhaft. Wartete auf die Frage, die neue Schmerzen bringen sollte.
»Du bist doch eine kluge Frau. Wozu das Ganze? Sag mir, was ich wissen möchte, und du kannst gehen.« Mit dem Daumen strich er ihr über die Wange. »Wo sind die Aufzeichnungen? Und hör auf, mir zu erzählen, du wüsstest es nicht. Du bist das nächste Glied der Kette. Irgendeinen Hinweis müssen deine Mutter oder dein Vater dir gegeben haben. Also: Wo sind die Aufzeichnungen?«
Sie schluchzte. »Ich habe wirklich keine Ahnung.«
»Gut, ich helfe dir auf die Sprünge. Was ist das?« Zwischen seinen Fingern steckte der Kranich, den Elinor ihr gegeben hatte und den Byk bei der Durchsuchung des Kofferraums gefunden haben musste.
»Origami.« Es fiel ihr schwer, die Worte zu formen, die so viel Chaos und Schmerz brachten. »Meine Mutter hat es für mich gemacht.«
»Und was wollte deine Mutter damit sagen?« Mit Bedacht faltete er den Vogel auseinander.
»Ihn hat’s in unsern Raum verschlagen
Aus einem fremden, fernen Land;
Er wollte rühmlich Schlachten schlagen, –
Was glaubst du, was er an dir fand?«
»Das ist …« Juna spürte, wie ihr erneut Tränen über die Wangen liefen, »… Lermontow. Ich glaube, sie wollte mir damit sagen, dass sie meine Beziehung zu einem Bullen missbilligte.« Ein erster Mutter-Tochter-Konflikt wegen eines Mannes. In Sekundenschnelle gelöst. Mutter – tot. Der Mann – tot. Und die Tochter bald auch.
»Ich glaube, du lügst. Deshalb frage ich dich noch einmal: Was wollte deine Mutter dir sagen? Wo sind die Aufzeichnungen?«
»Ich hätte es dir doch schon längst gesagt! Ich habe wirklich keine Ahnung!«
»Wer weiß. Du kannst eine Menge aushalten. Ich habe schon Männer gesehen, die nicht einmal die Hälfte deiner Kraft hatten. Du bist wahrlich etwas ganz Besonderes.« Er wischte ihr mit den Handflächen über die tränennassen Wangen. »Ich will dich wirklich gehen lassen, Juna. Gib mir wenigstens einen Hinweis, und du bist frei.«
»Ich habe keinen Hinweis. Olegs Leute haben meine Mutter getötet, bevor sie auch nur das Geringste erwähnen konnte. Wenn sie mir mit Lermontow etwas anderes sagen wollte, dann verstehe ich es nicht. Ehrlich!«
»Das ist äußerst bedauerlich.« Er ließ ihr Kinn los. Ihr Kopf baumelte kraftlos zur Brust. Sie schaffte es nicht mehr, das Gesicht zu heben und Byk anzuschauen, merkte nur aus einem Augenwinkel, wie in seiner Hand erneut der Elektroschocker erschien. Das Knistern ließ sie zusammenzucken. Nein. Bitte … nicht. Nein!
Seine Hand mit dem Elektroschocker kam immer näher.
Irgendwo draußen hallten Schüsse. Laute, die kaum der Wirklichkeit entspringen konnten. Nichts gehörte der Wirklichkeit an, was außerhalb ihres Körpers war und keinen Schmerz bedeutete. Byk verharrte. Ein paar Sekunden Aufschub? Dieses Warten und die Angst waren das Schlimmste, was er ihr antun konnte.
Wieder Schüsse.
Sie horchte auf. Was war das? Mit letzter Kraft hob sie den Kopf und hielt ihren Oberkörper aufrecht.
Byk sah sie an. Was sich in ihm abspielte, wusste sie nicht, nur, dass er den Elektroschocker langsam beiseite legte. »Wir machen eine Pause. Ich bin gleich wieder da. In der Zwischenzeit überlegst du dir genau, was du mir sagen möchtest. Langsam verliere ich die Geduld.«
Er richtete sich auf, schaltete das Licht aus und ließ sie allein. Bevor er die Tür schloss, vernahm sie undeutliche Stimmen. Aber in ihrem schmerzvernebelten Verstand konnte sie die wenigen Wortfetzen kaum auseinanderhalten.
Erneut fielen Schüsse. Sie hörte hektische Schritte draußen an der Tür, dann war es wieder still. Als wäre sie irgendwo im All. Nur die Sterne fehlten.
Sie durfte nicht untätig herumsitzen und warten, bis Byk zurückkam, um sie wieder zu foltern. Sie musste
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