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Im Netz des Verbrechens

Im Netz des Verbrechens

Titel: Im Netz des Verbrechens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga A. Krouk
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sprang auf und jagte der Katze hinterher. »Zurück! Gib, jetzt!«
    Die Katze raste ans Ende des Flurs, durch das Wohnzimmer und unter das Bett. Juna kniete sich hin, um darunterzulangen und den Kranich zurückholen, doch der kräftige Schlag einer Tatze zwang sie, ihre Strategie noch einmal zu überdenken. Wie besänftigte man Katzen? Sie hatte nicht viele Erfahrungen damit. Die Katze der Nachbarn hatte ein Faible für Gedichte gehabt, die Sprache, die Reime und der Rhythmus schienen sie zu beruhigen. Juna kannte keine deutschen Gedichte – aber sie erinnerte sich an das Aufsagen von unregelmäßigen Verben. In der Schule hatte es immer so monoton-einschläfernd geklungen. Einen Versuch war es wert.
    »Gehen – ging – gegangen«, begann sie zu rezitieren, führte ihre Hand behutsam an die Katze heran und hielt inne. Keine Krallen. Gut. Weiter. »Hängen – hing – gehangen.« Reimen konnte sie auch, wunderbar. »Reiben – rieb – gerieben, bleiben – blieb – geblieben.« Nur noch wenige Zentimeter, dann hatte sie den Papiervogel. »Wiegen – wog – gewogen. Lügen – log …«
    »Gelogen.«
    Juna fuhr herum – und sah in den Lauf einer Pistole. Sie hörte ihr Herz in der Brust wummern. Das Rauschen in den Ohren, alles ein bisschen unwirklich, ihr Flüstern: Nick …
    Langsam senkte er die Waffe. Der Stubentiger kroch unter dem Bett hervor und schmiegte sich unschuldig an seine Beine. »Gelogen, dass du kein Deutsch verstehst. Oder hast du so schnell gelernt, wie man deutsche Verben dekliniert?«
    »K-konjugiert«, stammelte sie. Ihre Lehrerin hatte ihr oft genug den Unterschied zwischen Deklination und – in diesem Fall sekundärer – Konjugation erklärt, und jetzt … hätte sie besser die Klappe halten sollen. Sie hatte sich verraten. Noch schlimmer: Ihn zum Narren gehalten.
    Er kam auf sie zu. »Wie ich sehe, verstehst du, was ich sage.«
    Sie stolperte zur Seite, aber da war nur eine Wand. Die Wohnung erschien ihr mit einem Mal bedrohlich klein. »J…ja.«
    Ihr fiel der alte Dialog ein. Er: ›Warum hast du es mir nicht gesagt?‹ – worauf sie zu antworten hatte: ›Du hast mich ja nicht gefragt.‹ Aber Film-Klischees waren in der echten Welt nur halb so lustig. »Deutsch. Englisch. Und Französisch – un peu .«
    »Auch das noch … mon chouchou .«
    Sie schluckte. Sein ›mon chouchou‹ klang so eisern-ruhig und mit einem gefährlich samtigen Unterton, den sie kaum einzuordnen vermochte.
    »Ja«, antwortete sie. » Mon chéri .«
    Er hat eine Waffe. Er bringt dich gleich um. Beileibe der ungünstigste Zeitpunkt für gegenseitige Kosenamen.
    »Als ich hereinkam, dachte ich, du wärst überfallen worden.« Seine Stimme klang besorgt. Nicht mehr eisern oder gefährlich – er hatte wirklich Angst um sie gehabt. »Das Blut, das Chaos – was ist passiert?«
    Deine Mieze ist passiert.
    »Katze«, sagte sie, auch wenn er ihr vermutlich kaum glauben würde, angesichts dieser Unschuld im Echtpelz.
    Sein Blick fiel auf den Artikel und das Telefon, das sie im Frust auf das Bett geworfen hatte. Seine Gesichtszüge verfinsterten sich.
    »Hast du angerufen?« Er nahm das Blatt und hielt den Artikel hoch. Ihr zerknülltes Foto prangte ihr entgegen.
    »Hast du angerufen?« Einen Moment forschte er in ihrem Blick, dann hob er das Gesicht zur Decke und knurrte. »Verdammt! Du hast angerufen. Und ich glaube, ich weiß sogar wann.«
    »Ich …« Sie kämpfte mit Worten, die sich weigerten, irgendeinen Sinn zu ergeben, stockte, wusste nicht weiter.
    Er nahm seine Jacke ab. Juna zuckte zusammen, als er auf sie zuschritt, drückte sich mit dem Rücken gegen die Wand. Er blieb sofort stehen, sah sie an, und sie hatte keine Ahnung, was es war, das in seinen dunklen Augen schimmerte.
    Vorsichtig legte er seine Hände auf ihre Schultern, zog sie näher zu sich heran und wickelte sie in seine Jacke ein. »Wir müssen weg«, flüsterte er.
    »Weg?«, hauchte sie bestürzt, von seiner plötzlichen, vielleicht ungewollten Zärtlichkeit völlig überrumpelt.
    »Hier ist es nicht mehr sicher.«

7
    Er half ihr in seine Jacke. Das Leder roch rauchig, als hätte er vor Kurzem an einem Lagerfeuer gesessen – aber es roch auch nach ihm. Sie schlug die Jacke fester um sich, senkte den Kopf und vergrub die Nase im Innenfutter. »Wohin … wir gehen?«, murmelte sie und atmete noch einmal ein. Sie hasste es, so scheu, so unbeholfen in der deutschen Sprache zu klingen. Dabei war sie in der Schule die Beste gewesen. Und so

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