Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Netz des Verbrechens

Im Netz des Verbrechens

Titel: Im Netz des Verbrechens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga A. Krouk
Vom Netzwerk:
unglaublich stolz auf ihre Aussprache und den Wortschatz.
    »Zu einem Freund. Bis wir mehr wissen.« Da war sie wieder, diese Angst um sie in seiner Stimme.
    »Sag, warum wir weglaufen. Wer hat …« Sie stockte. Ihr fehlte die deutsche Bezeichnung für ›Zeitungsartikel‹. So viel zu ihrem Wortschatz. »Wer hat geschrieben in der Zeitung über mich?«
    »Später.« Er ging in den Flur, dann bemerkte er das Whiteboard in der Küche. Vom Korridor aus beobachtete sie, wie er die Zeitungsausschnitte, Fotos und den Kranich in die Tasche seiner Jeans stopfte und die Beschriftungen mit einem Schwamm hastig auswischte.
    » Ein sehr schlauer Mensch? Wer ist das? Du hast geschrieben. In dem Notebook. Ich will wissen jetzt!«
    »Es gibt Spannungen in gewissen Kreisen, Gerangel um Macht und Territorien. Du scheinst eine große Rolle darin zu spielen.«
    Die Entführer hatten nach ihrem Vater gefragt. Sie konnte sich bestens vorstellen, was für Kreise er meinte. Nur nicht, dass Vaters Einfluss und sein Ruf bis nach Deutschland reichten. Oder war alles kein Zufall: Pyschkas Entführung, der Hinweis auf Deutschland? Wurde ihre Freundin verschleppt, um sie herauszulocken? Diese Mistkerle!
    »Juna? Was ist los? Geht es dir nicht gut?«
    Sie blinzelte. Seine Silhouette wirkte leicht verschwommen, so nah und doch unwirklich. Rasch schüttelte sie den Kopf. Alles okay. Alles okay. Die Schürfwunden auf ihrem Gesicht brannten.
    Sie fühlte seine Handflächen auf ihren Wangen, eine Berührung so zart wie der Hauch seiner Stimme. »Du kannst mir alles erzählen, Juna. Ich werde nicht zulassen, dass dir etwas passiert.«
    Hatte Oleg nicht etwas Ähnliches behauptet?
    Seine Daumen wischten ihr eine Träne vom Gesicht. Als er an eine der Prellungen kam, zuckte Juna zusammen und er ließ sie sofort los.
    Er zögerte, machte noch einen Schritt zurück – und es war, als hätte sie ihn verloren. »Sage mir mehr über … diesen Menschen«, bat sie. »Was will er von mir?«
    »Es geht um Macht und viel Geld. Dieser Mensch – er will sich durchsetzen und seinen Einfluss vergrößern. Zumal Gerüchte aufkommen, dass jemand an der Spitze der Organisation schwächelt. Und das ist etwas, was in diesen Kreisen nicht toleriert wird.« Er öffnete die Eingangstür.
    Gleich hinter der Schwelle hörte Juna, wie ein Mann und eine Frau sich lautstark stritten – La Traviata im echten Leben. Es roch nach scharf angebranntem Gemüse und Knoblauch. Die Katze huschte zum Treppenansatz und linste zwischen den Sprossen des Geländers nach unten. Die Schwanzspitze zuckte im Takt der Stimmen.
    »Ich kann dir helfen«, hörte sie ihn leise hinter sich sagen. »Mit mir hast du eine Chance. Ich weiß nicht, ob du sie auch ohne mich hast.«
    Sie wollte nicht davonlaufen. Aber er erinnerte sie daran, dass die Sache mit dem Vertrauen – schwierig war. »Deine Katze dir davonläuft, wie ich glaube.«
    Sie konnte fast spüren, wie er schmunzelte. »Sie kommt und geht wie sie möchte.«
    »Darum ist sie Katze. Katze, die spaziert selbst … nein … die spaziert … allein?« Sehr gut, jetzt hörte sie sich an wie das Übersetzungsprogramm auf dem Notebook. »Ich will sagen: wie in dem Märchen. Von Rudyard Kipling. Weißt du?«
    Die Dramatik der Frei-Haus-Oper nahm zu und erinnerte sie an ihre Tante Warja. Obwohl das Treppenhaus ihrer Chruschtschowka , in dem Tante Warja telenovelareife Dialoge mit ihren Nachbarn führte, eher das Flair einer öffentlichen Toilette verbreitete. Einer russischen öffentlichen Toilette, wohlgemerkt. Irgendwelche Herumtreiber hatten es mit großer Vorliebe benutzt, um ihre Notdurft zu verrichten, sodass gewisse Pfützen nie austrockneten.
    Sie fühlte, wie sich eine Hand um ihre Finger schloss, und zuckte zurück. Aber es war nur Nick. »Komm.« Seltsam, wie viel Ungesagtes all die Berührungen zwischen ihnen enthielten.
    Eine Etage tiefer traf sie auf die Hauptdarsteller des Dramas. Vor einer geöffneten Tür gestikulierte ein Mann, mit einem Feinrippunterhemd und einer Nadelstreifen-Anzugshose bekleidet. Den Weg in die Wohnung versperrte der geradezu gargantueske Busen einer Frau, die heftig mit den Armen fuchtelnd die Original-Violetta an Stimmgewalt noch um einiges übertraf. Der Mann warf Juna einen flüchtigen Blick zu, dann einen zweiten, aufmerksameren. Sogleich wurde es ihr peinlich-heiß von der Vorstellung, welchen Eindruck ihr zerschlagenes Gesicht auf Außenstehende machen müsste. Nick zog sie weiter. Der Mann stellte

Weitere Kostenlose Bücher