Im Netz des Verbrechens
übrig blieb. Wie er das Wechselgeld nachzählte und einsammelte – ohne Trinkgeld auf dem Tisch zu lassen.
Der Typ mit der Sonnenbrille war bereits gegangen.
»Ist etwas passiert?« Hoffentlich nicht mit Nick!
Er prüfte erneut sein iPhone und wiegte den Kopf. »Weiß ich noch nicht. Komm.«
Sie stellte den Stuhl zurück, rückte die Stoffserviette zurecht und legte die Blume in die Mitte.
»Komm schon!« Pawel packte sie am Arm und manövrierte sie zwischen den von Pärchen belagerten Tischen und an dem Mutter-Pulk vorbei. Sie gingen die Straße entlang, Byk folgte ihnen mit etwas Abstand. Juna stöckelte neben Pawel. »Beeil dich ein bisschen«, knurrte er und zog sie unbarmherzig hinter sich her.
»Was ist los?« Sie befreite ihren Arm und blieb stehen, um die Riemchen ihrer Schuhe neu zu binden. Am linken Knöchel hatte es die Haut wund gerieben. »Hätte ich gewusst, dass ich mit diesen Absätzen an einem Marathon teilnehmen muss, hätte ich ein wenig trainiert.«
Irgendwo ganz in der Nähe knallte es. Byk war sofort da, drückte Pawel hinter ein parkendes Auto. Es knallte wieder. Ein Schuss? Juna taumelte zur Seite und knickte um.
Der Absatz brach ab. Neben ihr bremste ein Wagen.
Ein Van.
Pawel brüllte etwas. Sie versuchte, sich aufzurappeln, geduckt machte Byk ein paar Schritte auf sie zu, aber er kam zu spät. Jemand packte sie und schleifte sie zum Auto. In der blau gespiegelten Sonnenbrille sah sie ihr eigenes Gesicht – der Typ vom Café! Er schob sie in den Van, sie fühlte den Metallboden unter ihren Händen und drängte sich gegen die hintere Wand. Mit einem Schwung schlug die Tür zu, und der Wagen setzte sich in Bewegung.
19
Der Van musste sich noch immer im Stadtverkehr befinden, denn er hielt oft an und es ging nur langsam voran. Die Ladefläche hatte lediglich an der hinteren Tür zwei milchige Fenster, durch die sie jedoch nichts sehen konnte. Zumindest ließen sie etwas Licht herein, und sie musste nicht in völliger Dunkelheit ausharren. Juna versuchte nicht einmal, darauf zu kommen, wer hinter der Entführung stecken könnte, und was das für sie bedeutete. Dafür war alles viel zu verwirrend, und es kostete sie schon Mühe, nicht in völlige Panik auszubrechen. Sie setzte sich hin, lockerte den Körper, doch es gelang ihr nicht, ihr zerrütteltes Inneres zurück ins Gleichgewicht zu bringen. Einatmen , ausatmen , ganz ruhig. Entspann dich. Die Gedanken kommen … und gehen … du kriegst das in den Griff … Unter ihrer Handfläche spürte sie ihren Bauch, der sich hob und senkte. Sie dachte an Nick. Ging es ihm gut? Und was würde mit Pyschka geschehen, wenn Pawel glauben sollte, sie hätte eine Flucht geplant? Sie holte das Handy aus ihrem BH und schaute auf die Uhrzeit. Seit ihrer letzten Nachricht waren bereits sechsundzwanzig Minuten vergangen. Sie musste Nick wissen lassen, was passiert war. Sie wusste schließlich nicht, wann sie das nächste Mal eine Gelegenheit bekommen würde, ihm ein Lebenszeichen zu senden.
Womöglich nie wieder.
Pawel arbeitet vielleicht auf terroristen.
Sie riskierte nicht, weiterzuschreiben, und schickte die Nachricht ab. Im gleichen Augenblick gab der Akku den Geist auf. Das Display ging aus. Hatte Nick die SMS bekommen? In ihrem Schoß hielt sie die Handvoll unnützer Elektronik und hätte weinen mögen.
Sie weinte aber nicht. Trotz allem verstaute sie das Telefon sicher in ihrem BH , bevor sie eine Erkundungstour durch die Ladefläche des Vans wagte. Viel zu entdecken gab es allerdings nicht. Sie fand nichts, was sie als Waffe benutzen könnte, und mit ein paar Sicherheitsgurten und Möbeldecken könnte vermutlich nicht einmal MacGyver etwas anfangen. Eine Wand trennte die Fläche von der Fahrerkabine. Sie drückte ein Ohr dagegen und lauschte. Durch die Motorgeräusche und das Rauschen der Räder über den Asphalt vernahm sie tatsächlich gedämpfte Stimmen, doch was gesprochen wurde, konnte sie nicht verstehen. Sie setzte sich zurück in ihre Ecke und lehnte den Kopf gegen die Wand.
Irgendwann blieb der Van stehen, sie hörte, wie jemand ausstieg und zur Seitentür ging. Mit einem Ruck wurde diese zur Seite geschoben. Das Licht strömte ins Wageninnere und wurde verdeckt von einer männlichen Gestalt. Der Sonnenbrillentyp.
»Komm mit.« Er streckte seinen Arm aus und wartete.
Juna verharrte in der Ecke.
»Komm schon, dir wird nichts passieren.«
Die deutsche Sprache irritierte sie. Warum sprach er deutsch? Hatte das Ganze doch
Weitere Kostenlose Bücher