Im Notfall Buch aufschlagen: Tipps für alle möglichen Katastrophen (German Edition)
Schachgroßmeister und Autor eines Englisch-Klingonisch-Wörterbuchs macht. Machen Sie es sich zunutze, dass der Nerd an sozialer Unterernährung leidet. Sollten Sie das Glück haben, eine schöne Frau zu sein, dann haben Sie den Angriff so gut wie überlebt, denn Nerds sind immer auf der Suche nach der ersten Frau (die ihnen auch ab und zu mal den Wollpullover wäscht). Aber auch als Mann können Sie seine sozialen Defizite ausnutzen (Führerschein, Party-Einladung, Flirttipps). In einer digitalisierten Welt sind die Nerds die neuen Helden. Wenn Sie Glück haben, schreibt er auf einem iPhone in wenigen Minuten einen Computervirus – der den Zentralrechner der Raumflotte zerstört.
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07. Sicherheitswahn KATASTROPHENPÄDAGOGIK
Achtung: Manchmal wird aus einer Lösung ein neues Problem.
Der moderne Mensch ist lernbesessen und kann Unglücksfälle wie einen Terroranschlag, ICE-Unfall oder das WM-Aus im Viertelfinale nur ertragen, wenn er die Umstände genau analysiert, aus Fehlern lernt und Maßnahmen ergreift, die verhindern, dass sich die Katastrophe in Zukunft wiederholt. Wir bauen hohe Zäune, mächtige Dämme und tasten die Umgebung mit Hightech-Sinnesorganen wie Radar und Ultraschall ab, basteln also permanent an der Illusion, die Welt und die in ihr waltenden Kräfte zu kontrollieren und an alles gedacht zu haben. Es stimmt natürlich, dass es gefährlich ist, eine Gefahr zu ignorieren, aber es kann viel gefährlicher sein, ein Risiko zu überschätzen. Ein ängstlicher Mensch handelt oft nicht vernünftig. Der Kampf gegen eine Gefahr kann schlimmere Folgen haben als die ursprüngliche Bedrohung. Und aus einer Lösung wird ein neues Problem.
Am 11. September 2001 beobachtete die ganze Welt live im Fernsehen, wie eine Boeing 767 ins World Trade Center in New York krachte. Kein Wunder, dass viele Menschen in den Tagen und Wochen nach dem Attentat das tödliche Transportmittel Flugzeug mieden und selbst lange Strecken lieber im eigenen PKW zurücklegten. Die individuelle Vorsichtsmaßnahme hatte gesamtgesellschaftlich gesehen verheerende Folgen. Auf Grund des erhöhten Verkehrsaufkommens kamen in den zwölf Monaten nach dem 11. 9. 2011 in den USA mehr als 1500 mehr Menschen durch Verkehrsunfälle ums Leben als in durchschnittlichen Jahren.
Im Jahr 1972 ordnete die amerikanische Zulassungsbehörde für Arzneimittel an, dass die Verpackungen von Opiaten, Schmerzmedikamenten und anderen starken Arzneien mit einem kindersicheren Verschlusssystem gesichert werden müssen. Die Pillendose war fortan nur noch durch eine komplexe Kombination aus Dreh- und Drückbewegungen zu öffnen und wurde so zu einem Plastiktresor. Geholfen hat die Verordnung jedoch nichts, im folgenden Jahr erlitten 3500 mehr Kinder eine Medikamentenvergiftung als in den Jahren zuvor. Offenbar hatten viele Eltern der Verschlusstechnik blind vertraut und die Arzneien häufiger in Reichweite der Kinder liegen lassen.
Kurt Gödel war ein Genie. Der Wiener Mathematiker (1906–1978) arbeitete mit der axiomatischen Mengenlehre und leistete maßgebliche Beiträge zur Relativitätstheorie in der Physik. Aber auch ein brillanter Logiker kann unlogische Dinge denken und tun. Kurt Gödel hatte so große Angst, von seinen Feinden und Konkurrenten vergiftet zu werden, dass er seine Frau zwang, vor seinen Augen zu kochen und die Speisen auch vorzukosten. Die Phobie wurde immer schlimmer, sodass Gödel immer weniger und zuletzt gar nichts mehr aß. Als der Mathematiker starb, wog er noch knapp dreißig Kilogramm.
Das Straßensystem der DDR war Ende der achtziger Jahre in einem verheerenden Zustand. Nach der deutschen Wiedervereinigung wurden viele Milliarden Mark und Euro investiert, um die Oberfläche und Beschilderung der Straßen auf westeuropäisches Niveau zu heben. Die neuen Ampeln und die Absenz der Schlaglöcher machte das Autofahren im deutschen Osten jedoch nicht sicherer. Im Gegenteil. Die Zahl der Unfälle mit Toten und Verletzten stieg um 15 Prozent. Der neue, glatte Asphalt erinnerte die Fahrzeugführer offenbar an eine Rennstrecke.
In den neunziger Jahren druckten peruanische Boulevardzeitungen dicke und blutrote Schlagzeilen: Verursacht das Chlor im Trinkwasser Krebs? Vergiften die Behörden die unschuldige Bevölkerung? Das hochreaktive und aggressive Element Chlor ist einer der wichtigsten Grundstoffe der chemischen Industrie, wird jedoch auch zur Desinfektion von Pools und – in weit geringeren Mengen – Trinkwasser
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