Im Notfall Buch aufschlagen: Tipps für alle möglichen Katastrophen (German Edition)

schwacher Charakter oder ein Mangel am «Willen des Wollens» (O. Kahn) der Grund dafür, dass sich ein Mensch nach einem Sturz nicht mehr erhebt. Manchmal ist dieser Mensch auch einfach tot. Im Jahr 2007 starben in Deutschland 7728 Menschen durch Stürze im Haushalt und auf der Straße ( → Haushalt, S. 123). Zum Vergleich: Im gleichen Jahr kam die vergleichsweise geringe Zahl von 351 Menschen durch Ertrinken ums Leben. Ist es also nicht ziemlich verantwortungslos, dass wir unseren Kindern beibringen, wie sie laufen, springen und rennen sollen, ihnen aber nicht erklären, auf welche Art und Weise sie Verletzungen bei einem Sturz vermeiden können. Wichtiger als ein Schwimmkurs wäre ein Sturzkurs. Hier ist er:

Der Sturz nach vorne droht, wenn Sie über Ihre eigenen Beine stolpern, an einer Teppichkante oder dem Bein eines Mitbürgers hängen bleiben. «Auf die Nase fallen», sagt der Volksmund und hat mal wieder nichts verstanden. Denn die große Gefahr dieser Sturzrichtung besteht darin, dass Sie mit dem Kinn auf den Boden knallen, der Kopf ruckartig nach hinten geschlagen wird und das Genick bricht. Drehen Sie also den Kopf sofort nach dem Abheben zur linken oder rechten Schulter. Um zu verhindern, dass die Handgelenke die gesamte Sturzenergie auffangen müssen (und unweigerlich brechen), strecken Sie die Arme nach vorne aus und versuchen Sie auf den Handflächen und Unterarmen zu landen. Schürfwunden sind die kleinste Gefahr.
Zum Sturz nach hinten kommt es beispielsweise bei Glatteis, frisch gebohnerten Böden und wegrutschenden Teppichen: Da Sie im Alltag vermutlich keinen Helm tragen (warum eigentlich nicht?), gilt Ihre erste Sorge wiederum dem Kopf. Drücken Sie das Kinn gegen die Brust und machen Sie einen runden Rücken, um zu verhindern, dass Sie ungebremst mit dem Kopf auf den harten Boden aufschlagen (Gefahr des Schädelbasisbruchs etc.). Ein guter Zeitpunkt, um den Sturz nach hinten zu üben, ist übrigens der Heimweg vom Supermarkt: Versuchen Sie, die Einkaufstüten beim Fallen vor den Körper zu reißen, diese Bewegung bremst die Fallgeschwindigkeit und mindert so die Wucht des Aufpralls. Haben Sie die Hände frei, schlagen Sie die Hände samt den Unterarmen beim Aufkommen fest gegen den Boden, um die Landung sanfter zu gestalten.
Der Sturz von der Leiter ist vor allem wegen der enormen Fallhöhe gefürchtet. Dabei verschafft Ihnen die Höhe wenigstens die Zeit, die Sie brauchen, um eine richtige Sturzposition einzunehmen. Katzen verletzen sich auch meist bei Stürzen aus zwei Metern oder weniger. Liegt der Ausgangpunkt höher, also zwischen drei und acht Metern, bleiben die Tiere häufig unversehrt, da sie sich auf die Landung vorbereiten können. Richtig ausgeführt ist der Leitersturz deshalb eine spektakuläre, aber harmlose Übung. Je nach Fallrichtung gelten beim Abgang von Leiter oder Stuhl die eben beschriebenen Regeln. Wichtig ist dabei: Ein Mensch, der spürt, dass er aus der Balance gerät, diese Tatsache im Herzen akzeptiert und sich auf den Aufprall vorbereitet, wird sich weniger schwer verletzen als eine Vergleichsperson, die auf einer Leiter gleicher Höhe verzweifelt ums Gleichgewicht kämpft, zappelt und am Ende unkontrolliert zu Boden geht.
Der Sturz von der Treppe ist die Königsdisziplin im Tanz mit der Gravitation und erfordert viel Training für eine perfekte Ausführung. Unbedingt sollten Sie vermeiden, die Treppe auf dem Bauch oder dem Rücken herunterzurutschen, da in dieser Lage der Kopf wiederholt auf die Stufen schlagen wird. Schon im Moment der Sturzauslösung sollten Sie sich deshalb seitwärts drehen, sodass Sie die Treppe in einem 90-Grad-Winkel zur Falllinie hinunterrollen. Versuchen Sie ganz bewusst jede einzelne Stufe mitzunehmen, so kontinuierlich Bewegungsenergie abzugeben und eine Beschleunigung zu vermeiden. Drehen Sie das Kinn immer zu der Schulter, die gerade nicht belastet wird. Merksatz: Wenn Sie eine Treppe mit 25 Stufen stürzen, müssen Sie auch 25-mal die Blickrichtung ändern. Der steife Nacken lohnt sich.
    Generell besteht bei einem Sturz die Gefahr, dass Sie nicht nur Ihr Leben, sondern auch Ihre Würde verlieren. In einer Gesellschaft, in der Scheitern ein Tabu und eine Person, die in einer finanziellen Notlage steckt, «ganz unten» ist, gibt es nichts Peinlicheres als einen fallenden Menschen (auf diese Erkenntnis hat Charlie Chaplin seine Karriere begründet). Mit zunehmender Meisterschaft sollten Sie also dazu übergehen, nicht nur das sichere,