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Im Notfall Buch aufschlagen: Tipps für alle möglichen Katastrophen (German Edition)

Im Notfall Buch aufschlagen: Tipps für alle möglichen Katastrophen (German Edition)

Titel: Im Notfall Buch aufschlagen: Tipps für alle möglichen Katastrophen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Moorstedt , Jakob Schrenk
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sondern auch das schöne Stürzen zu üben: Breiten Sie beim Treppensturz die Arme und Beine nach Art der Stuntmen weit aus, rollen Sie sich beim Sturz nach hinten ab und stehen Sie sofort wieder auf: lächeln, weitergehen.

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    10. Grubenunglück DER MUT DER MINEURE
    Fünf Projekte, mit denen 69 Tage im eingestürzten Bergwerk wie im Flug vergehen.
    Genießen Sie das Leben: Gut, die ersten Tage nach dem Mineneinsturz waren hart. Sie haben mit wenig Wasser und drei Dosen Thunfisch überlebt. Aber wenn die Rettungskräfte Sie erst einmal gefunden haben, dann wird die Lage bald besser. Versorgungsschächte und Glasfaserkabel liefern alles, was das Männerherz begehrt: drei warme Mahlzeiten am Tag, Dessert, reichlich Bier und jeden Tag zwei Packungen Zigaretten. Stecken Sie sich eine Kippe an und genießen Sie den 2:0-Sieg Ihrer Fußballnationalmannschaft im Freundschaftsspiel gegen die Ukraine. Und das Beste: Zwischen Ihnen und Ihrer meckernden Frau liegen 700 Meter und Millionen Tonnen Granit.

    Stählen Sie Ihren Körper: Auch die schönste Kupfermine wird nach einigen Tagen langweilig. Nutzen Sie die freie Zeit und arbeiten Sie an Körperfettgehalt und Muskeltonus. Sie wollen doch gut aussehen, wenn Sie der Ehefrau (und der Geliebten) wieder unter die Augen treten. Niemand braucht ein Fitness-Studio! Steine sind runde Hanteln. Machen Sie auch Situps, Kniebeugen und Liegestützen. Setzen Sie sich eine Stirnlampe auf und erkunden Sie das unterirdische Trimm-dich-Labyrinth – der Tunnelblick des Langstreckenläufers oder Sprinters bekommt so eine ganze neue Bedeutung. Wenige Wochen nach der Rettung können Sie dann am New-York-Marathon teilnehmen.

    Erledigen Sie den Papierkram: Im Alltag, zwischen Supermarkteinkauf und Kinderarztbesuch, bleiben viele Überweisungen und so manches andere paragraphenschwangere Papier auf dem Schreibtisch liegen. In der Mine haben Sie endlich mal Zeit, ausgiebig mit dem Anwalt zu telefonieren und sich mit den Kollegen gewerkschaftlich zu organisieren. Schließen Sie mit Ihren Leidensgenossen einen Vertrag ab, der regelt, dass die Einkünfte aus dem Verkauf Ihrer wundersamen Geschichte an Hollywood-Produzenten und amerikanische Großverlage gleichmäßig aufgeteilt werden, gründen Sie zu diesem Zweck auch eine Aktiengesellschaft. Setzen Sie auch eine Klageschrift gegen den Arbeitgeber auf, dessen Geiz-ist-geil-Mentalität die ganze Katastrophe erst verursacht hat, und verlangen Sie 10 Millionen Dollar. Wo Sie gerade dabei sind: Verklagen Sie auch den Staat und fordern weitere zwei Millionen Dollar.

    Arbeiten Sie am Drehbuch: Drehen Sie mit der Videokamera kleine Reportagen über den Alltag im Untergrund, in denen Sie die Männer nach und nach der Weltöffentlichkeit vorstellen. Beenden Sie jede Episode mit: «Ich gebe zurück ins Sendestudio». Verteilen Sie verschiedene Rollen wie «der Anführer», «der Weise», «der Hallodri» oder «der Teenager» an die Männer. Die 2000 Journalisten, die an der Oberfläche auf Sie warten, lieben platte Charakterisierungen und werden Sie sowieso in eine Schublade stecken. Überlegen Sie sich kurz, ob Sie lieber von Javier Bardem oder Antonio Banderas gespielt werden wollen, und behalten Sie die Feder immer in der Hand. Geben Sie dem ersten Kumpel, der rauskommt, einen markigen, klugen Satz mit auf den Weg, ja genau, so etwas wie: «Bitte behandelt uns wie Bergleute und nicht wie Künstler.» Die Medien werden dieser Bitte zwar nicht entsprechen, aber die bescheidene Geste steigert den Marktwert.

    Bilden Sie eine Hornhaut auf der Netzhaut: Die NASA-Experten, die sich sonst um die Psychosen von Astronauten kümmern, die ja ebenfalls eine lange Reise in der Dunkelheit unternehmen, haben empfohlen, mit Halogenstrahlern den Tag-Nacht-Rhythmus zu simulieren. Eine gute Idee. Blicken Sie aber auch mehrmals täglich für fünf Minuten in die Lichtquelle und versuchen Sie, nicht zu blinzeln. Denn das ungewohnte Sonnenlicht wird an der Oberfläche Ihr geringstes Problem sein. Warten Sie nur ab, bis die Scheinwerfer angehen. Sie werden merken, dass der härteste Granit der Mine nachgiebiger ist als die Boulevardpresse und niemand einsamer ist als ein verwirrter Mensch auf einer großen Bühne. Viel Glück. Das wahre Abenteuer hat gerade erst begonnen.

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    11. Historisches Unglück (I) VOLKSHOCHSCHULE DER VERGANGENHEIT I
    Was wollen uns die größten Katastrophen kommunizieren? Verzichtet auf die schöne

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