Im Notfall Buch aufschlagen: Tipps für alle möglichen Katastrophen (German Edition)
Steffen Fliegel für wenig hilfreich: «Solange die Panikschwelle noch nicht überschritten ist, kann ich nachdenken und schauen: Wo bin ich hier, wo gibt es einen Weg für mich. Aber wenn dann der Druck von hinten kommt, ich mich gar nicht mehr halten kann, dann werde ich mich in die Bewegung einklinken.» Das ist natürlich beunruhigend – aber machen Sie sich zumindest keinen Vorwurf, dass Sie nicht mehr rational handeln können.
Die Kommunikation: Eine verheerende Massenpanik auf einer Brücke in Phnom Penh, Kambodscha, wurde im November 2010 durch das Gerücht ausgelöst, dass die Konstruktion bald zusammenbrechen würde. Die Brücke blieb stabil und hielt das Gewicht der Massen aus. Und trotzdem mussten 456 Menschen sterben. Das Problem bestand nicht in der Statik der Brücke, sondern in der Psychodynamik der Passanten. Eine Menschenmasse, die den Point of no Return überschritten hat, kann auch durch Lautsprecherdurchsagen und Massen-SMS nicht wieder beruhigt werden. Trotzdem ist es wichtig, die Kommunikation zwischen den einzelnen Teilen, die durch den Panikzustand zusammengebrochen ist, wieder herzustellen. Es kann zumindest nicht schaden zu versuchen, den von Angst gepeinigten Menschen um Sie herum das Gefühl zu vermitteln, dass «alles wieder gut wird». Verwenden Sie Sätze wie «Ich bin sicher, dass die Rettungswagen schon unterwegs sind» oder «Die Sicherheitskräfte werden das bestimmt gleich unter Kontrolle haben». Auch wenn die Lage verzweifelt ist: Treten Sie ruhig und klar auf, vermitteln Sie Sicherheit und sprechen Sie langsam und deutlich. Versuchen Sie auch andere Menschen, die noch nicht (völlig) von der Panik ergriffen sind, in die Verantwortung zu nehmen. «Wenn Sie und ich ruhig bleiben, können wir die anderen beruhigen. Wollen Sie mir helfen?»
Der Ausweg: Eine Massenpanik baut sich langsam und unsichtbar auf, wie ein Sturm hinter dem Horizont, aber wenn das Donnern und der Tumult erst einmal losbrechen, dann können Menschen binnen weniger Sekunden getötet werden. Opfer von Massenpaniken werden nicht zerquetscht oder zertrampelt, sondern sterben an Sauerstoffmangel: Bereits nach 30 Sekunden kann man das Bewusstsein verlieren. Nach sechs Minuten tritt der Hirntod ein. Einen sicheren Ausweg aus der Lawine aus Fleisch und Furcht gibt es leider nicht. Für ein sehr unangenehmes Gedrängel, das sich noch nicht vollständig verselbständigt hat, haben Computer die Strategie berechnet, dass man sich am besten zu 60 Prozent mit der Gruppe treiben lassen und zu 40 Prozent nach eigenen Auswegen suchen sollte. Man sollte auf jeden Fall versuchen, auf den Beinen zu bleiben. Denn wer zu Boden geht, über den steigen die Nachfolgenden hinweg – nicht aus bösem Willen, sondern weil sie kein Wahl haben. Es wird oft beklagt, dass der Mensch in solchen Situationen keine Moral und Menschlichkeit zeige und über Alte und Kinder hinweg trample. Das Problem ist jedoch nicht, dass Menschen kein Mitgefühl zeigen würden, sondern überhaupt helfen: Viel zu oft halten Menschen an, wollen Menschen aufhelfen und bilden einen Schutzring um das Opfer. «Wer hilft, riskiert sein und anderes Leben», stellt Anders Johansson klar, der als Massenforscher am Zentrum für Raum-Analyse am University College London arbeitet. «Wer sich bückt, wird selbst umgestoßen» und sorgt für weitere Strudel und Störungen, die das Tempo und den Druck in der Masse erhöhen. Gegen den Strom hat man keine Chance. Bewegen Sie sich also mit der Masse und versuchen Sie, sich Stück für Stück seitwärts herauszubewegen. Der beste Moment ist, wenn die menschliche Menge nach hinten zurückweicht. Wiederholen Sie diese Bewegung, bis Sie den Rand des Geschehens erreichen, sich aus der Masse herauslösen können und wieder zum Menschen werden.
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38. Straßenverkehr HELM AUF IM AUTO
Und sechs weitere Regeln, die nicht auf dem Lehrplan der Fahrschule stehen.
Der Mann hat in 90 Prozent aller Fälle einen dicken Bauch, fettige Haare und macht gerne schlechte Witze. Trotzdem ist der Fahrlehrer die letzte Autorität, die die Moderne überstanden hat. Schon Grundschüler lernen, dass man dem Deutsch- oder Mathematiklehrer widersprechen darf (und für diese individualistisch-kritische Performance von den Eltern auch noch gelobt wird). Im 21. Jahrhundert bittet auch kein Mensch mehr den Pfarrer um Tipps für gute und gesunde Lebensführung. Und selbst in der Arztpraxis stellt der Patient die Diagnose und
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