Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Notfall Buch aufschlagen: Tipps für alle möglichen Katastrophen (German Edition)

Im Notfall Buch aufschlagen: Tipps für alle möglichen Katastrophen (German Edition)

Titel: Im Notfall Buch aufschlagen: Tipps für alle möglichen Katastrophen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Moorstedt , Jakob Schrenk
Vom Netzwerk:
Tsunami: Menschen erdrücken Menschen in von Menschen gebauten Räumen. Das heißt, dass man Katastrophen wie die der Loveparade in Duisburg im Juni 2010, bei der 21 Menschen ums Leben kamen, theoretisch vermeiden können müsste. Eine Einzelperson hat natürlich wenig Einfluss auf bauliche Beschaffenheit und das Sicherheitskonzept einer Großveranstaltung, kann sich aber trotzdem vorbereiten: Allein im Jahr 2008 starben weltweit mehr als 4000 Menschen bei Massenpaniken – mehr als zehnmal so viele wurden verletzt. Der Trend ist in diesem Fall der Feind der Menschheit, denn auf Grund von Bevölkerungswachstum (2050 : 9,2 Mrd. Menschen) und dem zunehmenden Hang zu Großveranstaltungen und Mega-Events (Papst-Besuch, Public Viewing, Premiere des neuesten Vampirfilms) steigt die Wahrscheinlichkeit von Massenpaniken an. Es wird eng auf dem Planeten Erde.

    Die Location: Einer der gefährlichsten Orte der Welt liegt in Mekka, Saudi-Arabien. An der Dschamarat-Brücke mitten in der Altstadt machen Millionen muslimischer Pilger jedes Jahr halt, um kleine Kieselsteine auf eine große Steinstele zu werfen. Die «symbolische Steinigung des Satans» ist der wichtigste Tagesordnungspunkt der Hadsch. Entsprechend viele Menschen drängen zu der Brücke, entsprechend energisch treten sie an diesem Ort auch auf: Die Dschamarat-Brücke ist ein langgestreckter, enger Schlauch, an dessen Ende ein Flaschenhals oder Nadelöhr liegt. Eine Konstruktion, die Sicherheitsexperten blass werden lässt, denn ein kanalartiger Raum, in dem keine Wellenbrecher oder andere Bauelemente den Menschenfluss «takten» und ordnen, und in dem auch der Weg zur Seite versperrt ist und der Druck der nachströmenden Massen kein Ventil findet, wird schnell zur Todesfalle. Auf der Dschamarat-Brücke starben im Jahr 1990 einmal 1426 Pilger, 1998 waren es 118 Menschen, 2006 346. Erst im Jahr 2010 wurde die «Brücke des Todes» durch eine fünfstöckige Hightech-Konstruktion ersetzt (made in Germany). Besucher von Massenveranstaltungen sollten Tunnels und Betonkanäle also prinzipiell meiden, und lieber einen Umweg in Kauf nehmen. Es schadet nicht, darauf zu achten, ob und wo der Veranstalter Fluchtwege und Ausweichmöglichkeiten geschaffen hat, so schärft man zum einen sein Orientierungsvermögen und entwirft eine innere Landkarte und gewinnt zum anderen einen Eindruck von der Professionalität des Sicherheitskonzepts. Keine Notausgang-Zeichen? Schlechtes Zeichen!

    Das Körpergefühl: Unter normalen Umständen können sich Menschenmengen selbst organisieren und dabei Probleme und Staus kollektiv lösen. Die Slacker und Shopper, Mover und Shaker, die sich auf dem Times Square oder dem Berliner Hauptbahnhof so dicht und doch so kontrolliert aneinander vorbeischieben, verhalten sich ganz ähnlich wie Heringe oder Stare, folgen unausgesprochenen Regeln wie «Folge dem Fisch vor dir» und «Halte die Geschwindigkeit des Vogels neben dir». Der Dresdner Komplexitätsforscher Dirk Helbing hat herausgefunden, dass die mittlere Dichte der Fußgänger einen Schwellenwert von vier Personen pro Quadratmeter nicht überschreiten darf. Wenn doch, kann auch ein Meister der Körperbeherrschung und Balance wie ein Artist oder Kung-Fu-Kämpfer selbst die leichtesten Stolperer und Schubser nicht mehr ausgleichen, rempelt die Vorangehenden an oder fällt und bildet ein Hindernis für die nachfolgenden Menschen, die dann wiederum andere Menschen anstoßen oder zu Boden gehen – ein sich selbst verstärkender Prozess beginnt, der den Menschenstrom, der gerade noch so friedlich seinem Ziel entgegenfloss, in kürzester Zeit in einen reißenden Bergfluss verwandelt (auf Videoaufnahmen aus Mekka, die Helbig auswertete, kann man regelrechte Strudel und Wellen erkennen, die sich in der Menschenmenge bilden).
    Im gefährlichen Gedrängel hat der Einzelne wenig Interventionsmöglichkeiten, nicht nur, weil er feststeckt, sondern auch weil seine Psyche durch die bedrohlichen Umweltreize, die Schreie, Schläge und das schwere Schnaufen immer instabiler wird. Psychologen sprechen vom «Panikzustand», bei dem Stresshormone ausgeschüttet werden, was dazu führt, dass Individuen vermindert Zugang zu ihren rationalen Kontrollzentren haben, dass Flucht zur absoluten Priorität wird und soziale Kompetenzen wie Empathie und Kommunikation praktisch abgeschaltet werden. Die Schreie und die verzerrten Gesichter der Umstehenden verstärken den Effekt. Den Ratschlag «ruhig Blut» hält der Psychologe

Weitere Kostenlose Bücher