Im Notfall Buch aufschlagen: Tipps für alle möglichen Katastrophen (German Edition)
Übelkeit, Herzklopfen bis Herzrasen, Hitzewallungen, Erstickungsgefühle, maßlose, ungerichtete Wut oder ein Gefühl der totalen Ohnmacht. Ein optimiertes Panik-Management ist sowohl auf individueller als auch auf gesellschaftlicher Ebene absolut notwendig.
1. Verstehen Sie die Furcht: Wenn die Menschendichte im Aufzug das erträgliche Maß überschreitet, die Bild -Schlagzeile größer wird als zehn Zentimeter oder plötzlich ein Mann mit Pistole und Strumpfmaske auftaucht und unsere Alltagsillusion zerreißt, dann wird der Mensch ein Opfer seiner Höhlenbewohner-Herkunft: In Sekundenbruchteilen werden alle höher entwickelten Mechanismen in unserem Gehirn abgeschaltet und die entwicklungsgeschichtlich alten Teile wie die paarig auftretende Amygdala aktiviert. Die Nebennierenrinde schüttet Adrenalin aus, das Herz schlägt schneller, der Atem geht hektisch und die Muskeln spannen sich an. Der Notfallmodus des Steinzeitmenschen war gut geeignet, um einem wütenden Wollnashorn zu entkommen, für moderne und typischerweise wesentlich komplexere Überlebenssituationen ist es aber das falsche Set-up. Ein Mensch «voll auf Adrenalin» ist oft schon mit der Frage überfordert, wie man den Sicherheitsgurt öffnet oder was diese komischen Masken zu bedeuten haben, die plötzlich überall im Flugzeug von der Decke baumeln. Und schon gar nicht ist er fähig, die komplexen Zahlenkolonnen zu verstehen, mit denen ein Wissenschaftler erklären will, warum wir doch nicht an der Schweinegrippe sterben müssen.
Die stille Panik, das Erstarren im Angesicht der Katastrophe, hat einen evolutionären Sinn: Raubtiere verschmähen oft ein potenzielles Opfer, das sich nicht wehrt, da sie fürchten, dass ihre Beute krank oder ungenießbar sein könnte. Leider ist es keine gute Idee, sich im 32. Stock eines brennenden Hochhauses tot zu stellen. Feuer kennt keine Furcht und hat einen unstillbaren Appetit. Der amerikanische Psychologe und Neurowissenschaftler Joseph LeDoux glaubt, dass das Überleben in kritischen Situationen davon abhängt, ob es einer Person gelingt, die Alarmglocken im Kopf auszuschalten: «Man muss es schaffen, von dem Gedanken ‹Ich werde sterben› umzuschalten auf den Gedanken ‹Ich werde überleben›». Aber wie geht das?
2. Akzeptieren Sie die Furcht: Es kommt darauf an, im Notfall nicht die primitive Amygdala einzuschalten, sondern den Präfrontalen Cortex, also den guten Teil des Kopfes. Das wird Ihnen aber nur gelingen, wenn Sie Ruhe bewahren. Das Überlebensmotto der amerikanischen Air-Force-Piloten lautet: «Umarme das Monster». Damit ist gemeint, dass man aufkommende Panik nicht zwanghaft verdrängen sollte. Auch wenn es nur ein grell geschminkter Clown ist, der einen so in Wallung versetzt (Coulrophobie), lassen Sie die Furcht für ein paar Sekunden zu, erörtern Sie, was genau das Problem ist und wie Sie es lösen können (z.B. dem Clown die Schminke aus dem Gesicht reiben). Denken Sie daran, dass man so gut wie keiner Gefahr hilflos ausgeliefert ist und es meist einen Ausweg gibt. Steigern Sie sich nicht in Angstsituationen hinein, etwa durch Gedanken wie: «Trage ich außer dem Schweinegrippe-Virus auch noch einen Aids-Erreger in mir?»
3. Bekämpfen Sie die Furcht: In ihrer Ausbildung lernen Elitesoldaten, dass sie sich unter Maschinengewehrfeuer regelmäßige Auszeiten gönnen sollen. Atmen Sie im Notfall also vier Sekunden aus und dann vier Sekunden ein, wiederholen Sie diese einfache Übung, bis Sie sich beruhigt haben. Es mag esoterisch klingen, aber der Atem ist die Verbindung zwischen dem Verstand und dem Unterbewussten. Indem wir die Sauerstoffzufuhr kontrollieren, kontrollieren wir auch uns selbst. Diese Übung können Sie auch einem Fremden in der U-Bahn empfehlen, der beim Lesen des örtlichen Boulevardblatts plötzlich rote Flecken im Gesicht bekommt. Die Risikoexpertin Amanda Ripley schwärmt von der Ruhe im Auge des Sturms: «Am besten man wartet, bis alle plötzliche Bewegung aufhört, dann sucht man sich einen Bezugspunkt und teilt das Problem in handhabbare Teile auf.» Wer also in kaltes Wasser stürzt, sollte erst einmal versuchen, sich bei ruhiger Atmung über Wasser zu halten ( → Eiswasser, S. 200), dann nach einem Rettungsboot, einem vorbeiziehenden Wrackteil oder einer Eisscholle suchen und schließlich ruhig auf das Objekt zuschwimmen.
4. Beugen Sie der Furcht vor: Wenn erst einmal die Alarmglocken schrillen, sind die mentalen Fähigkeiten auf jeden Fall
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