Im Palazzo sueßer Geheimnisse
wollte.“
Lucy wich zurück.
Als Michele es bemerkte, verzog er amüsiert den Mund. „Es gibt kein Verlies, und ich verspreche, dich nicht zu fressen“, reagierte er auf ihre unausgesprochenen Ängste. „Und jetzt komm mit.“
Betont schroff äußerte sie: „Ich bin viel zu müde, um mir Innenhöfe anzusehen. Ich will nur noch so schnell wie möglich ins Bett.“
„Dein Wille sei mir Befehl.“ Er hielt ihr die Tür auf, hinter der sich eine Art unterirdischer Gang befand, und bedeutete ihr, voranzugehen.
Ihr Puls raste immer mehr, während sie den Kopf schüttelte. „Ich denke nicht daran, um diese Zeit einen Fuß in deinen Palazzo zu setzen.“
„Sagtest du nicht gerade, du müsstest dringend ins Bett?“
„Damit meinte ich mein eigenes …“, sagte sie steif, „… das im Hotel.“
„Ich fürchte, da muss ich dich enttäuschen.“
„Was meinst du damit?!“
„Komm herein, und ich erkläre es dir.“ Er ging hinein und wartete.
Lucy blickte die Fondamenta entlang. Still und verlassen war der Kanal, nur das Glucksen des Wassers ließ sich vernehmen. Dennoch musste der Canal Grande mit seinen Laternen, unter denen Musik erklang und fröhliche Menschen durch die Nacht tanzten, während andere sich in den Bars und Restaurants nebenan vergnügten, ganz in der Nähe sein. Das gab Sicherheit.
Aber genausogut konnte er auch kilometerweit entfernt sein …
Die Schultern gestrafft, den Kopf hoch erhoben, ging Lucy hinter Michele her, um der Gefahr – und sie hatte keinen Zweifel, dass es eine war – mit höchster Aufmerksamkeit und voller Anspannung zu begegnen.
4. KAPITEL
Nachdem Michele hinter sich abgeschlossen hatte, kam Lucy sich vor wie in einem Gefängnis, und ein Schreckensschauer jagte ihr über den Rücken. Sei nicht albern!, ermahnte sie sich, während Michele vor ihr mit hallenden Schritten auf ein schmiedeeisernes Tor am Ende des Gangs zusteuerte.
Dahinter lag ein verwunschener Innenhof, der mit unterschiedlichen Natursteinen gepflastert war. Der Mond erhellte die umstehenden Bäume und die kunstvollen Silberskulpturen und verlieh der ganzen Szenerie etwas Märchenhaftes.
Unbehaglich, aber dennoch beeindruckt, schaute Lucy sich um. Der Palazzo Ca’ del Leone war ein rechteckiger Bau mit französischen Fenstern, die alle – wie die Türen – Zugang zur Terrasse des Innenhofs hatten.
Eine Hand leicht um ihre Taille gelegt, dirigierte Michele Lucy über eine kleine Treppe nach unten in einen mittig angelegten, tiefer liegenden Gartenbereich, wo Neptun, seinen Dreizack schwingend, einen plätschernden Springbrunnen bewachte.
Ringsherum blühten Stauden und Blumen, und in einem Teil bildeten rankende Reben einen schattenspendenden Baldachin. Tagsüber musste es besonders angenehm sein. Nachts war es magisch.
Michele zeigte auf eine Gartenschaukel, aber Lucy wollte lieber stehen und lehnte kopfschüttelnd ab. „Musst du immer so viel Überzeugungsarbeit leisten, wenn du mit deinem Innenhof prahlen willst?“
Er lächelte schief. „Du als Romantikerin bist bisher der widerwilligste Gast.“
„Ich bin keine Romantikerin.“
„Natürlich bist du das.“
„Du weißt gar nichts über mich.“
„Oh, ich weiß eine Menge über dich. Obwohl du mich immer wieder überraschst.“ Sie sah ihn fragend an.
„In diesem Augenblick, zum Beispiel, würdest du gern mit dem Feuer spielen und eine Reise durch die Welt der Sinne machen. Aber du hast höllische Angst, und ich kann mich nur wundern, dir jedoch nicht helfen.“
Er stand so nah, dass sie sein Herz schlagen hörte. Oder war es ihr eigenes?
„Ich habe keine höllische Angst. Ich bin nur müde und verärgert, derart gezwungen zu werden, obwohl ich nichts anderes will als …“
„Ins Bett gehen“, sprach er für sie weiter und fügte hinzu: „Weißt du was, allmählich fasziniert mich diese schamlose Ungeduld, ins Bett zu gehen.“
Den Köder verweigernd stellte Lucy sich zehn Elefanten vor, zählte sie – das hatte sie schon als Kind gemacht – und fragte betont beherrscht: „Könntest du mir bitte erklären, warum du mich hierher gebracht hast, anstatt ins Hotel?“
„Es machte keinen Sinn, zum Hotel zurückzugehen. Du hast dort kein Zimmer mehr.“ Als sie ihn anstarrte, fuhr er ruhig fort: „Ich habe gesagt, dass du im Palazzo Quartier beziehst, und gebeten, deinen Koffer zu packen und hierher zu schicken.“
„Wie konntest du das tun, ohne mich zu fragen?“, empörte sich Lucy. Aber dann fiel ihr ein, ihm
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