Im Palazzo sueßer Geheimnisse
ihre Codekarte gegeben zu haben. Natürlich hatte der Rezeptionist nicht gewagt, ihm zu widersprechen …
Er lächelte, als hätte er ihre Gedanken gelesen.
„Deswegen hast du also im Florian telefoniert?“
„Ja, ich bat darum, ein Gästezimmer für dich vorzubereiten“, antwortete er und ergänzte: „Im Palazzo stehen so viele leer, da erschien es mir sinnvoll – jedenfalls sinnvoller, als dich jeden Tag hin- und herfahren zu lassen.“
Das klang plausibel, dennoch war sich Lucy seltsam sicher, dass ihre Fahrerei wenig damit zu tun hatte. Sie war versucht, einfach zu fragen, was los war. Aber was immer für ein Spiel
Michele auch mit ihr spielte – er würde es ihr kaum verraten …
„Hundert Euro für deine Gedanken“, unterbrach er sie.
Lucy hatte nicht gemerkt, dass er sie beobachtete. „Ich dachte nur, wenn du immer so selbstherrlich über andere bestimmst, wundert es mich, dass noch niemand mit dir abgerechnet hat.“
„Ich war der Meinung, das hättest du eben schon gemacht“, spottete er. „Zwar habe ich eine Vermutung, aber ich wüsste gern genauer, warum du dich so verhalten hast, als du in meinen Armen lagst und …“
Plötzlich juckte es Lucy, mit dem Feuer zu spielen, und so stichelte sie bewusst: „Stell dir vor, mir wurde langweilig!“
Sie hörte, wie er ein zischendes Geräusch ausstieß, und wusste sofort, dass sie zu weit gegangen war. Sie wollte sich entschuldigen, doch es war bereits zu spät. Ehe sie sich versah, hatte Michele sie an sich gezogen und presste seinen Mund auf den ihren. Nie zuvor war ihr so etwas passiert, und sie hätte sich wehren sollen.
Aber trotzdem tat sie es nicht. Lucy fühlte sich wie in einer einzigen süßen Verwirrung, die sich vermehrte, bis sie – wie in einem Rausch – der Leidenschaft mit Leidenschaft begegnete.
Immer verzehrender küsste Michele sie, liebkoste ihre Wangen und ihre Schläfen, ihre geschlossenen Lider und ihren Hals. Die Arme um ihn geschlungen, überliefen sinnliche Schauer ihren Körper, während er begann, sie zu streicheln, seine Hände über ihre Hüften, ihren Bauch und ihre Brüste gleiten ließ und sie durch die zarte Seide ihres Kleides erregte.
Wie verzaubert von der Intensität ihrer Gefühle, sehnte Lucy sich nach mehr, als Michele sie plötzlich freigab und unvermittelt von sich schob.
Verwirrt taumelte sie ein, zwei Momente.
„Du hast eine originelle Art, deine Langeweile zu zeigen“, sagte er spöttisch, aber schwer atmend.
Sich in seine Arme zurücksehnend, flüsterte sie: „Michele … es tut mir leid …“
Doch er wandte sich um. „Es ist schon spät. Ich zeige dir besser dein Zimmer.“
… Ich nehme mich nicht so ernst und sehe das gelassener … Das hat er gesagt, erinnerte sich Lucy und fand, dass er sich genauso verhielt, als sie ihm etwas zögernd im Mondschein in den Palazzo folgte. Sie durchquerten die Eingangshalle und gelangten in einen breiten Korridor. Dort blieb Michele auf halbem Weg stehen und deutete auf eine der kunstvoll mit Schnitzereien versehenen Türen. „Hier ist dein Zimmer.“ Er sah ihre bedenkliche Miene und fügte schroff hinzu: „Es ist alles da. Du wirst es nicht verlassen müssen.“
„Das freut mich.“ Lucy bemühte sich, unbeschwert zu klingen. „Ich würde es nicht wiederfinden – diese Türen sehen alle gleich aus.“
„Eigentlich nicht.“ Michele deutete auf eine Schnitzerei in der Mitte der Türfüllung, die an eine Maske erinnerte. Sie bestand aus zwei gleich aussehenden, in unterschiedliche Richtungen blickenden Gesichtern. „Das ist Janus. In der römischen Mythologie ist er der Gott der Türen – oder vielmehr jeglichen Anfangs und Endes. Die beiden Gesichter, die du siehst, hat er nicht, weil er falsch ist, sondern weil jede Tür zwei Seiten hat.“
Während Lucy sich noch fragte, ob sie sich die Betonung auf dem er nur eingebildet hatte, fuhr Michele fort: „Dieses Zimmer habe ich extra für dich ausgesucht. Buona notte .“
Er ging zur Tür gegenüber und wandte sich, die Hand an der Klinke, noch einmal zu Lucy um. Langsam wanderte sein Blick über ihr verstörtes Gesicht weiter nach unten und blieb an ihren nackten Beinen hängen. „Da krabbelt eine Spinne“, sagte er beiläufig.
Lucy schnellte hoch, wie von der Tarantel gestochen. Schon seit ihrer Kindheit hatte sie eine irrationale Furcht vor Spinnen.
Grimmig lächelnd drehte sich Michele um und verschwand in seinem Zimmer.
Lucy brauchte einen Augenblick, bis sie begriff, dass
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