Im Palazzo sueßer Geheimnisse
„Das klingt ja schulmädchenhaft höflich.“
„Und du klingst oberlehrerhaft!“, hielt sie verärgert dagegen.
„Tut mir leid.“
Es folgte eine so nervige Stille, dass Lucy schnell zugeben musste: „Es war mein Fehler. ‚Nett‘ klingt belanglos. Ich hätte besser sagen sollen aufregend, spannend, hinreißend, magisch …“
„Du bist wirklich eine außergewöhnliche Frau“, murmelte Michele. „So eine wie du ist mir noch nie begegnet. Es gibt Momente, da machst du mich sprachlos.“
„Das bezweifle ich jetzt.“
Zunehmend lächelnd streckte er eine Hand aus und berührte sanft ihre Wange. „Habe ich mich nicht entschuldigt?“
„Doch, hast du.“
„Angemessen?“ Sein Blick ruhte auf ihrem Mund.
„Ziemlich angemessen“, versicherte Lucy hastig und rückte soweit ab von ihm, wie Platz war.
Nach einer Weile jedoch, während sie sanft schaukelnd über das Wasser glitten, entfaltete die Nacht ihre romantische Wirkung, und unbewusst entspannte sich Lucy.
„So ist es besser“, raunte Michele ihr ins Ohr. „Ich habe mich schon gewundert, warum du so angestrengt die schockierte Jungfer aus dem vorigen Jahrhundert spielst.“
„Aber ich habe doch gar nichts gemacht“, empörte sie sich und drehte sich zu ihm.
Diese Bewegung war ein Fehler. So war sein Mund dem ihren viel zu nah, und Michele nutzte den Umstand, ehe Lucy sich zurückziehen konnte.
Sein Mund war so sinnlich und weich wie Samt. Empört hätte sie sich ihm entziehen sollen, aber sie schmolz dahin, während Michele ihre Lippen immer intensiver liebkoste und sie nachgab und seinen Kuss erwiderte.
Es war, als ob sie heimkäme an einem zauberhaften Morgen im Mai, berauscht wie von köstlichem Champagner, und Lucy wollte, dass es nie wieder aufhörte … Als ihr plötzlich – wie eine kalte Dusche – Didi Lombards Worte wieder einfielen Du hast leichteres Spiel, wenn du nett zu der Kleinen bist … Wenn du es richtig anstellst, wette ich mit dir, dass sie in deinen Händen zu Wachs wird.
Spontan wollte Lucy sich verärgert losreißen. Aber würde sie ihm nicht noch stärker den Wind aus den Segeln nehmen, wenn sie gleichgültig blieb?
Während sie noch so tat, als mache sie mit, zwang sich Lucy, umzuschalten.
Michele spürte die Veränderung sofort und hob den Kopf.
Lucy stellte fest, dass er irritiert war. Kühl sagte sie: „Damit hätten wir das auch hinter uns …“
„Hätten wir was hinter uns?“
„Die obligatorische Liebesszene“, erklärte sie ihm, als hielte sie ihn für dumm.
„Wieso, du kleine …“ Kurz schockiert, warf er den Kopf in den Nacken und lachte.
Er hatte ein schönes, ansteckendes Lachen. Nach einem Moment hörte er damit auf und suchte ihren Blick. „Also, warum hast du es getan?“
„Was getan?“
„Unser romantisches kleines tête-à-tête in eine Farce verwandelt.“
Unser romantisches kleines Tête-à-Tête … Hätte sie nicht die Erinnerung an Didi Lombards Worte davon abgehalten, wäre Lucy allein bei dem Gedanken an diesen magischen Moment wieder schwach geworden. Und sie hätte schwören können, dass eben dieses Gefühl auch Michele verspürte.
„Weich lagst du in meinen Armen, und auf einmal …“ Er verengte seine Augen.
Lucy atmete tief ein. „Sorry, wenn ich dein Ego verletzt haben sollte …“
Er strich mit seinem Daumen über ihre Lippen. „Oh, nein, cara “, raunte er. „Du hast mein Ego nicht verletzt …“, er fuhr mit seinem Daumen über ihren Hals, „… ich nehme mich nicht so ernst und sehe das gelassener.“
Weil seine Berührung sie schon wieder erschauern ließ, bemühte sich Lucy, umso unbekümmerter zu klingen, als sie sagte: „Ich bin sehr müde, und ich muss morgen arbeiten. Könnten wir nicht zurückgehen?“
Er zog seine Hand zurück und zuckte die Schultern. „Wir sind praktisch da.“
Innerlich aufatmend und gleichzeitig verblüfft, schaute Lucy sich um. In der Dunkelheit schienen alle Kanäle gleich …
Noch während sie etwas zu erkennen versuchte, steuerte der Gondoliere auf einen Landesteg zu. Lucy kniff ihre Augen zusammen, und plötzlich schlug ihr Herz wild. „Es sieht so anders aus. Das ist doch nicht das Hotel. Wo sind wir?“
Ohne darauf zu antworten, bezahlte Michele den Gondoliere, sprang heraus und zog Lucy an Land. Er schloss eine schmiedeeisern beschlagene Tür auf und sagte milde: „Am Südeingang des Palazzo Ca’ del Leone. Von hier kommt man in den Innenhof, den ich dir unbedingt im Mondschein zeigen
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