Im Paradies der Suende
Bett auf sie warten, in dem noch immer ihr Duft hing? Nein, eigentlich roch es eher nach ihm selbst und nach Rob.
Er überlegte, ob er sich nach dieser Nacht zu dritt schwul fühlte. Nicht besonders. Ja, er war geil und scharf, aber nur auf Lou.
Und dann kehrte plötzlich die Erinnerung zurück. Er dachte an den Papierfetzen mit den vertrauten Initialen und an die Bedeutung, die dieser Fund für Paradise Hall und all die Menschen hier hatte, die ihm wichtig waren. Ihre Entdeckung würde Lou, seine wunderbare Lou, sicher nicht reich machen. Aber sie würde ihr wissenschaftlichen Ruhm einbringen und sie zur weltbesten Jane-Austen-Expertin machen.
Er duschte, zog sich an und verließ Lous Zimmer. Das Haus wirkte leer und verlassen. Ihm fiel ein, dass die wenigen Gäste demnächst abreisen wollten. Frühstück und Lunch hatte er versäumt, und bis zum Dinner würde es noch eine Weile dauern. Das Küchenpersonal war unfreundlicher als sonst und erklärte ihm, man sei es leid, dass er dauernd außerhalb der Essenszeiten Snacks verlangte. Das bedeutete wahrscheinlich, dass die Angestellten bereits alle Reste selbst verputzt hatten. Schließlich erbarmte sich einer der Köche und briet ihm ein paar Spiegeleier. Dafür musste Mac sich einen langen, blutrünstigen Monolog anhören, in dem der Mann erklärte, welche Qualen den Dieb seines Marihuana-Vorrats erwarteten.
Nachdem er sich gestärkt hatte, sah er sich im Haus um. Immer wieder traf er auf dösende Lakaien, doch Lou fand er nicht. Vielleicht war sie noch immer bei Viv im Pförtnerhaus. Auf dem Weg dorthin entdeckte er eine Gestalt, die auf einer Bank saß und auf den See starrte. Er musste zweimal hinschauen - den Anblick einer Frau in Hosen war er nicht mehr gewöhnt.
„Lou!“, rief er und winkte ihr zu.
Wortlos hob sie eine Hand.
Er folgte dem Weg und erwartete, sie würde ihm entgegenlaufen. Aber sie stand einfach nur auf und rührte sich nicht.
Als er sie umarmen wollte, wich sie zurück. „Mac, ich kann es nicht.“
„Wovon sprichst du?“
„Ich kann diese Story nicht an die Öffentlichkeit lassen. Ich reise ab. Gleich kommt ein Wagen, der mich abholt.“
„Was stimmt denn nicht, Schätzchen?“
„Ich kann es einfach nicht“, wiederholte sie. „Es wäre indiskret, eine Verletzung ihrer Privatsphäre. Es ist ihr Leben gewesen. Etwas Schreckliches muss Jane Austen zugestoßen sein, jemand hat ihr Vertrauen verraten. Darüber soll jemand anderer die Welt informieren. Ich werde es nicht tun.“
„Bist du nicht ein bisschen zu melodramatisch? Ich finde, du ziehst zu viele Schlüsse aus den wenigen Worten, die wir gefunden haben.“
„Was sollen Sie denn sonst bedeuten?“
Auf dem See glitten die beiden Schwäne vorbei. Vier kleine, graue Vögel folgten ihnen. Sie hatten Junge bekommen.
Lou zog ein Taschentuch hervor und betupfte ihre Lider. „Dir ist doch auch ihre eigenartige Ausdrucksweise aufgefallen. Leidenschaft, Unbeständigkeit . Mach es mir nicht noch schwerer, als es ohnehin schon ist…“
„Schwerer? Für dich ? Du hast doch selbst gesagt, das sei eine großartige Entdeckung. Natürlich werden wir taktvoll damit umgehen. Was zum Henker hat deine Dissertationsberaterin gesagt?“ Mac starrte sie ungläubig an. Hatte sie den Verstand verloren?
Sie schüttelte den Kopf. „Das spielt keine Rolle mehr. Morgen fliege ich nach Montana zurück. Ich habe einen Käufer für die Ranch. Hör mal, du verstehst nicht, was unser Fund bedeutet. Er würde die Vorstellung zerstören, die Millionen Menschen von dieser großen Schriftstellerin haben. Ihre Bewunderer wollen sie nicht als eine Frau sehen, die an ihrer Leidenschaft zerbrochen ist. Für sie ist Jane Austen der Inbegriff von Happy Ends und wahrer Liebe.“
„Na und? Vielleicht werden ein paar alte Schachteln nach ihrem Riechsalz greifen, aber…“
„Jane Austens Verehrerinnen sind keine alte Schachteln!“, unterbrach sie ihn empört. „Denk doch nur an deine Mutter!“
„Oh, der würde es nichts ausmachen, wenn man sie so nennt“, log er. Mac nahm ihre Hand. „Heiliger Himmel, Lou, lauf zu deinen Kühen zurück, wenn‘s unbedingt sein muss. Aber diese Story wird ans Licht der Öffentlichkeit gelangen, ob es dir gefällt oder nicht. Und du bist diejenige, die die Lorbeeren dafür ernten sollte, ganz egal, welche Wahrheit dahintersteckt. Du weißt, was für ein gewaltiges wissenschaftliches Interesse der Fund erregen wird. Das könnte deine Karriere entscheidend
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