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Im Rachen des Alligators

Im Rachen des Alligators

Titel: Im Rachen des Alligators Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Moore
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Polizeiwagen, um sie schließlich bei der Village Mall einzukesseln. Sie würde den ganzen Sommer an den von Trevor finanzierten Wandmalereien arbeiten. Gemalt wurden Wellen, so hatte Madeleine im Express gelesen, denn Wellen standen für Veränderung und Selbstbemächtigung. Das von sieben Polizeiwagen eingekesselte Mädchen war derzeit zuständig für Wellen, die auf einen Sandstrand zurollten. Dieses Mädchen hatte noch nie einen Pinsel in der Hand gehabt.
    Bitte kein Was machen Sie eigentlich beruflich oder Aus was für einer Familie kommen Sie denn oder Was für Bücher . Kein Wort über Exfrauen und Kinder und Sonnenuntergangsträumereien, keine lebensverändernden Momente und kleineren Erleuchtungen.
    Sie könnte ihn nach seinem Fahrrad fragen, sagen, dass sie ihn »Bridge Over Troubled Water« habe üben hören, und dass es ja so köstlich nach sautiertem Ingwer rieche, was das denn sei?
    Sie konnte ihm »Bridge Over Troubled Water« verzeihen. Wenn es darauf ankam, konnte sie durchaus großzügig sein. Sie warf einen kurzen Blick ins Schlafzimmer. Ein Futon lag auf dem Boden. Da kam sie doch noch mal ins Grübeln.
    Ein Futon hatte etwas Spirituelles, eine Art mystischer Güte, mit der sie nichts zu tun haben wollte. Sie wollte nicht auf einem Futon Liebe machen. Ihre Futonzeit lag hinter ihr.
    Wollen wir uns setzen?, fragte Trevor Barker. Er goss Wein in Gläser, die er aus dem Tiefkühlschrank genommen hatte. Sie waren von der Kälte beschlagen.
    Ja, wir könnten uns setzen, setzen wir uns doch.
    Dann setzen Sie sich doch bitte, wohin Sie mögen. Sie öffnete die kleinen Schnallen an ihren Sandalen, schlüpfte heraus und streckte die Beine aus. Das Sofa verlangte nach dieser Art von entspanntem Sich-Ausbreiten. Draußen war es dunkel geworden, die Stadt war erleuchtet, und Mount Pearl war erleuchtet und reichte viel weiter als noch vor fünf Jahren. Das Sofa war von einer Art nachgiebiger Härte, und ihr wurde klar, dass es sich um ein Sitzsacksofa handelte. Es drohte sie langsam, aber sicher zu verschlingen, und sie dachte, vielleicht lasse ich mich einfach verschlingen. Gebe mich hin, warum auch nicht? Wenn es später Verdruss gibt, dann ist es halt so. Lange Reihen orangefarbener Lichter, Tausende weiße und hier und da Rosa, und Autoscheinwerfer, die sich durch die Stadt bewegten wie rasch rinnende Tropfen. Trevor ließ sich neben ihr auf das Sofa fallen, dessen Füllung knirschend verrutschte. Es war die Art von Ausblick, die sich in einem festsetzte und sich später, bei der Arbeit oder beim Badewanneschrubben, vor dem inneren Auge erst richtig entfaltete. Es war ein Ausblick, der sie an den Rand des Ruins gebracht hatte, und gerade weil sie sich ihn eigentlich nicht leisten konnte, liebte sie ihn umso mehr. Und irgendwie hatte sie es hingekriegt. Zwei verglaste Wände. Trevor hatte den gleichen Ausblick wie sie, nur von etwas weiter oben. Ob er wohl mit Gloria Garland, der mit den blutigen Seehundbabys, ins Bett ging?
    Tja, Trevor, sagte sie. Was machen Sie eigentlich beruflich? Er stieß klirrend mit ihr an.

Beverly
    Erst die Woche zuvor hatte sie Colleen vom Gästezimmer aus, das auf einen langen, sanften Hügel mit einem Spielplatz hinausging, beobachtet. Der Park war sonnig und leuchtend grün, und Colleen stand einen Augenblick einfach nur da, dann legte sie sich ins Gras und ließ sich den Hügel hinunterrollen.
    Sie drehte sich rasant um die eigene Achse, wieder und wieder, und blieb schließlich auf dem Rücken liegen, einen Arm über die Augen geworfen.
    Sie sah froh und zugleich erledigt aus.
    Beverly verspürte eine jähe Erleichterung: Sie ist noch ein Kind. Als sie sich von dem smaragdgrün leuchtenden Fenster abwandte, um fertig zu bügeln, schien das Zimmer sich zu verdunkeln, und sie empfand eine Befriedigung wie am Ende eines guten Films.
    Colleens Vandalismus gegen diese Bulldozer war ein Ausreißer – dieser Gedanke kam Beverly, während sie mit abgestelltem Ton eine Fernsehdokumentation über ein Abrisskommando ansah – ein Ausreißer, in dem ein so befremdlicher Fanatismus zum Ausdruck kam, dass sie dachte, Colleen müsse Opfer einer Gehirnwäsche geworden sein.
    Öko-Terroristen hatten ihre Tochter gekidnappt und sie von ihrer Mutter und allem, was sie je gelernt hatte, abgebracht – höflich zu sein etwa, komme was da wolle, Stoffservietten zu verwenden, angetrocknete Zahncreme vom Waschbecken abzuwischen, in der Schule hervorragende Noten zu schreiben, keinen

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