Im Rachen des Alligators
knallte erst auf das Autodach und dann auf die Straße, zerbrach jedoch nicht, sondern rollte einfach über den Asphalt. Dann fuhr Lloyd weg. Nicht mit quietschenden Reifen, sondern ganz ruhig.
Franks Mutter hatte geglaubt, dass es kein Problem gab, das man nicht bewältigen konnte. Ihr unverbrüchlicher Wille, sich nicht geschlagen zu geben, hielt seine Mutter am Leben, drückte sie zugleich jedoch auch nieder. Frank hatte von seiner Mutter gelernt, niemals etwas aufzugeben, was ihm heilig war. Er konnte nachgiebig sein, aber wenn ihm etwas heilig war, blieb er eisern.
Und die Konzession für den Hotdog-Stand war ihm heilig, für die hatte er gearbeitet, und er würde sie nicht den Russen überlassen.
Das Mädchen bei Sears trug rosa Lippenstift, was seine Aufmerksamkeit auf ihren Mund lenkte, und so, wie sie das Wort Cocktailbar aussprach, klang es wie eine Einladung zu etwas ganz anderem, also folgte er ihr in die benachbarte Abteilung.
Das Ding war aus gepolstertem schwarzem Vinyl, und die rautenförmigen Polster waren mit vinylbezogenen Knöpfen befestigt. Es hatte eine Einfassung aus Chrom, und das Teil, auf das man sich mit dem Ellenbogen aufstützen konnte, war aus getöntem Spiegelglas, das von goldenen Adern durchzogen war. Auch ein Drehtablett gehörte dazu, was er genial fand, so etwas hatte er noch nie gesehen. Auf dem Drehtablett stand ein einsames Fläschchen Tabasco. Er musste zugeben, dass es sich um ein beeindruckendes Möbelstück handelte.
Das Mädchen kaute Kaugummi und machte eine Blase. Sie erzählte ihm, sie werde in einem Monat heiraten, einen Busfahrer, und genau dieser Artikel stehe auf ihrer offiziellen Hochzeitsliste, viele Gäste hätten schon Beträge bis zu 50 Dollar beigesteuert. Sie erzählte, dass sie schon seit drei Jahren Möbel kauften, und zwar mit dem erklärten Ziel, zu heiraten, sobald sie genug beisammen hätten, um eine kleine Wohnung auszustatten. Nichts davon sei auf Kredit gekauft. Ihr Verlobter besuche abends die Fachhochschule. Sie werde nicht immer bei Sears arbeiten. Ihr Ziel, sagte sie, und das werde sie auch erreichen, sei es, als Zahnhygienikerin zugelassen zu werden.
Nichts wird mich aufhalten, sagte sie. Frank dachte sich, dass er das Einkaufszentrum jetzt wohl verlassen konnte, wahrscheinlich hatten ihn die Russen längst vergessen.
Ich will keine Cocktailbar, sagte Frank.
Sie sollten studieren, sagte das Mädchen. Gescheit genug sehen Sie jedenfalls aus.
Sie wissen doch gar nichts über mich, sagte Frank. Das Mädchen machte noch eine Blase, die ziemlich groß wurde, zusammensackte und an ihrem Kinn festklebte. Sie nahm den Kaugummi aus dem Mund und zog sich die Blase vom Gesicht.
Ich erkenne es, wenn Leute Potenzial haben, sagte sie. Sie schlug zweimal auf die Bar, dann kehrte sie ihm den Rücken, schlenderte durch den Gang zurück und ließ dabei die Hand über die aufgestapelten Handtücher gleiten.
Madeleine
Was ihr fehlt, sind Konventionen. Die Sicherheit fehlt ihr, und ein Leben, in dem sie nicht ständig neuen Leuten alles erklären muss. Ihr fehlt die Art und Weise, wie er sie nachts manchmal festhielt, wenn sie Beklemmungen hatte und ihr Herz raste. Und wenn sie Angst hat, einen Herzinfarkt zu erleiden, während sie allein ist, Angst hat, allein zu sterben – auch dann fehlt er ihr.
Martys Eltern hatten neun Kinder, und seine Geschwister waren entweder wild und herrisch oder ausgesprochen schüchtern. Sie sahen irisch aus, mit großen blauen Augen und schwarzem Haar, oder sie hatten etwas Spanisches, waren dunkeläugig und zänkisch. Eine seiner Schwestern war Ballerina bei einer kleinen Kompanie in Boston, eine andere besaß eine Consultingfirma, die Umweltverträglichkeitsuntersuchungen für neue Industrien durchführte und als unparteiisch und sehr gründlich bekannt war. Es war eine Krankenschwester dabei, die Geburtsvorbereitungskurse gab, nachdem sie in ihrem früheren Berufsleben Hunderten von Säuglingen auf die Welt geholfen hatte. Sie war fröhlich und rosig und hatte eine missgebildete Hüfte, die ihr einen seltsamen Gang verlieh, und sie erzählte Geschichten von Frauen, die im Aufzug in die Knie gingen, und Ehemännern, die ohnmächtig wurden, wenn sie Blut sahen.
Martins Schwestern waren gutaussehend, mager und energiegeladen. Die Brüder waren Intellektuelle, drei unterrichteten an der Uni, zwei davon Politikwissenschaften. Bei Familientreffen waren sie laut und tranken so viel Wein, wie sie nur konnten. Es kam schnell zu
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