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Im Rausch der Freiheit

Im Rausch der Freiheit

Titel: Im Rausch der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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er tun? Die Gier des Weißen Mannes nach Fellen und die Begierde der Indianer, diese zu liefern, hatten die Biber am Unterlauf von Hudsons Fluss so dezimiert, dass die Algonkin nicht mehr genug anzubieten hatten. Selbst die Mohawks mussten Raubzüge in das noch weiter nördlich gelegene Territorium der Huronen unternehmen, um die unerschöpfliche Nachfrage der Weißen zu befriedigen. Aber die Mohawks lieferten. Also waren sie jetzt seine wichtigsten Handelspartner.
    Seine Reise dauerte zehn Tage. Auch als er sich weiter in das Landesinnere hineinwagte, stieß er auf keinerlei Schwierigkeiten. Der Handelsposten der Mohawks war, anders als die meisten Algonkin-Dörfer, eine dauerhafte Siedlung mit einer Palisade. Die Mohawks waren hart und barsch, aber sie akzeptierten seinen Branntwein. »Obwohl es besser gewesen wäre«, erklärten sie ihm, »wenn du Gewehre gebracht hättest.«
    Er kehrte mit einer der größten Ladungen von Fellen zurück, die er je den Fluss hinabgeschifft hatte. Doch trotz der kostbaren Fracht, die er jetzt mit sich führte, hatte er es nicht eilig, nach Manhattan zurückzukehren. Er überlegte sich Möglichkeiten, Zeit zu schinden – einen Tag hier, einen Tag dort.
    Er wollte Margaretha warten lassen.
    Nicht zu lang. Er hatte es genau kalkuliert und beschloss, die Frist, die sie ihm gesetzt hatte, nicht einzuhalten. Natürlich würde er ihr erzählen, seine Geschäfte hätten ihn länger aufgehalten, als er zunächst erwartet hatte. Sie würde vermuten, dass er log, aber was konnte sie schon ausrichten? Etwas Ungewissheit würde ihr guttun: Das schien ihm die richtige Methode zu sein. Er liebte seine Frau, aber er musste ihr klarmachen, dass sie ihn nicht herumkommandieren konnte. Eine knappe Woche Verspätung würde wohl ihren Zweck erfüllen. Also strengten sich seine Ruderer, auf seinen Befehl hin, bei ihrer Fahrt nach Süden nicht über Gebühr an; und van Dyck zählte die Tage und bewahrte einen kühlen Kopf.
    Nur eine Sache bereitete ihm Sorge – etwas Unerledigtes. Eine Kleinigkeit vielleicht, doch sie ging ihm nicht aus dem Sinn.
    Er hatte kein Geschenk für seine Tochter.
    Der Wampum-Gürtel, den sie ihm geschenkt hatte, besaß natürlich einen bestimmten materiellen Wert. Aber der ideelle Wert war unschätzbar. Bleiche Feder hatte ihn mit ihren eigenen Händen für ihn gefertigt, hatte die Perlen aufgefädelt, die Schnüre in langwieriger Arbeit zu dieser einen schlichten Botschaft der Liebe zusammengenäht.
    Was konnte er als Gegengabe schenken? Handwerklich hatte er keinerlei Geschick. Ich kann weder schnitzen noch zimmern noch weben, dachte er. Ich besitze diese uralten Fertigkeiten nicht. Ich kann nur kaufen und verkaufen. Wie soll ich ihr meine Liebe zeigen außer mit kostspieligen Geschenken?
    Beinahe hätte er den Mohawks ein Gewand für sie abgekauft. Aber vielleicht würde sie ein Mohawk-Gewand nicht tragen wollen. Außerdem wollte er ihr etwas von seinem eigenen Volk schenken, zu dem sie schließlich durch ihn auch gehörte. So sehr er sich auch den Kopf zerbrochen hatte, er war zu keiner Lösung gelangt.
    Sie hatten wieder Algonkin-Gebiet erreicht, als er seine Männer anwies, ans westliche Ufer zu pullen zu einem Dorf, in dem er schon früher Geschäfte gemacht hatte. Er legte Wert darauf, seine Kontakte zu pflegen, und außerdem war es eine gute Möglichkeit, seine Heimkehr noch ein bisschen weiter hinauszuzögern.
    Er wurde freundlich empfangen. Die Dorfbewohner hatten alle Hände voll zu tun, weil gerade Erntezeit war. Wie die meisten Indianer in dieser Region hatten sie im März Mais gesät und im Mai Gartenbohnen, die sich dann um die hohen Maispflanzen ranken konnten. Jetzt wurde beides geerntet. Van Dyck und seine Männer blieben zwei Tage im Dorf und halfen bei der Ernte. Es war harte Arbeit in der heißen Sonne, aber er hatte Freude daran. Außerdem hatten die Algonkin zwar nur wenig Felle, aber sie konnten dem Weißen Mann noch immer Mais verkaufen, und van Dyck versprach, in einem Monat zurückzukehren und eine Ladung Mais für sie flussabwärts zu schaffen.
    Die Ernte verlief gut. Am dritten Tag hatten sie sich alle zur Abendmahlzeit gesetzt, und die Frauen trugen gerade das Essen heraus, als in der Ferne ein kleines Boot auftauchte. Es wurde von einem einzelnen Mann gepaddelt.
    Van Dyck beobachtete, wie das Boot näher kam. Als es das Ufer erreichte, stieg der Mann aus und zog das Boot an Land. Er war ein blonder junger Bursche, Anfang zwanzig mit leicht

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