Im Rausch der Freiheit
und zwar schon bald. »Wenn der Herzog den Holländern die Neu-Niederlande abnehmen kann, wird er hier Herr eines großen Reiches sein«, erklärte ihm der Offizier. »Wir haben genügend Kanonenkugeln und Pulver geladen, um Neu-Amsterdam in Grund und Boden zu schießen.« Die Zusage des Königs von England an die Niederländer, sie in Ruhe zu lassen, war die Lieblingstaktik dieses schnurrigen Monarchen gewesen: eine schamlose Lüge.
Und wenn dem so war, dann würden sich die Aussichten für einen jungen Engländer in den amerikanischen Kolonien bald deutlich verbessern. Es wäre schiere Dummheit, dachte Tom, ausgerechnet jetzt nach England zurückzukehren. Was er brauchte, war ein Plan.
Die entscheidende Idee kam ihm am nächsten Tag. Wie viele von Toms Ideen war sie haarsträubend, entbehrte aber nicht eines gewissen Humors. In einer Schenke hatte er ein Mädchen getroffen, an das er sich von früher her erinnerte – ein Mädchen von lockerem Lebenswandel –, und sich eine Zeitlang mit ihr unterhalten. Am nächsten Tag setzte er die Unterhaltung mit ihr fort. Als er ihr sagte, was er von ihr wollte, und den Preis nannte, den er dafür bezahlen würde, lachte sie und willigte ein.
An dem Abend sprach er mit seinem Bruder.
Er begann mit einer Apologie. Er sagte Eliot, er bereue seine früheren Missetaten. Dies wurde kommentarlos zur Kenntnis genommen. Dann erklärte Tom, er wolle sich häuslich niederlassen, wenn auch in bescheidensten Verhältnissen, und versuchen, ein besseres Leben zu führen.
»Nicht hier, will ich hoffen«, sagte sein Bruder.
Doch, sagte Tom, das sei in der Tat sein Plan. Und nicht nur das, er glaube sogar, bereits eine Ehefrau gefunden zu haben. Bei dieser Eröffnung starrte ihn Eliot sprachlos vor Erstaunen an.
Es gebe da eine Frau, erklärte Tom, die er von früher her kenne, eine Frau, die ebenfalls kein ganz vollkommenes Leben geführt habe, die aber bereit sei, sich zu bekehren. Was könne es für eine bessere Möglichkeit geben, christliche Vergebung und Demut zu zeigen, als sie zu retten?
»Wer ist es?«, fragte Eliot kalt.
Tom nannte ihm den Namen des Mädchens und den der Schenke, in der sie arbeitete. »Ich hatte gehofft«, sagte er, »dass du uns helfen würdest.«
Schon am Mittag des folgenden Tages hatte Eliot genug in Erfahrung gebracht. Das Mädchen war nicht mehr und nicht weniger als eine gemeine Hure. Ja, hatte sie zu ihm gesagt, sie sei froh, Tom zu heiraten und gerettet zu werden und, wie bescheiden auch immer, hier in Boston zu leben. Denn alles sei besser als ihr gegenwärtiger sündhafter Zustand. Zwar witterte Eliot die Gefahr, dass dies alles ein Jux sein konnte, doch er begriff nicht, worin der Witz liegen sollte. Letztlich spielte es keine Rolle, ob die Geschichte stimmte oder nicht. Ganz offensichtlich war Tom willens, ihm Schwierigkeiten zu bereiten und ihn zu kompromittieren. Andererseits, nahm Eliot an, würde Tom auch bereit sein zu gehen – wenn der Preis stimmte. An dem Abend unterhielten die Brüder sich ein weiteres Mal.
Das Gespräch wurde in jenem kummervollen Ton geführt, der Eliots Spezialität zu sein schien, und fand in dem kleinen quadratischen Raum statt, den er als Arbeitszimmer benutzte. Auf dem Schreibtisch zwischen den Brüdern befanden sich ein Tintenfass, eine Bibel, ein Gesetzbuch, ein Brieföffner und eine kleine Kiefernholzschachtel, die einen frisch geprägten Silberdollar enthielt.
Eliots Angebot war die Erbschaft, die Adam Master seinem jüngeren Sohn für den Fall – und ausschließlich für den Fall – zugedacht hatte, dass er sich der Gemeinschaft der Gläubigen angeschlossen habe. Wahrheitsgemäß teilte Eliot seinem Bruder mit: »Indem ich dir das gebe, missachte ich das Gebot unseres Vaters.«
»Selig sind die Barmherzigen«, sagte Tom feierlich.
»Du weigerst dich, nach England zurückzukehren?«
»Ja.«
»Dann wird dich dieser Brief bei einem Kaufmann in Hartford, Connecticut, einführen. Da unten«, sagte Eliot trocken, »sind sie nachsichtiger gegen deinesgleichen. Die Bedingung ist, dass du nie, nie wieder nach Massachusetts zurückkehrst. Nicht einmal für einen Tag.«
»Im Evangelium kehrte der verlorene Sohn zurück und wurde mit offenen Armen empfangen.«
»Er kehrte einmal zurück, wie du das bereits getan hast. Nicht zweimal.«
»Ich werde Geld für die Reise brauchen. Dein Brief nützt mir nichts, bevor ich in Hartford bin.«
»Wird das genügen?« Eliot reichte ihm eine gewisse Menge Wampum und
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