Im Rausch der Freiheit
einen Geldbeutel, der mehrere Shilling enthielt. Mit einem Teil davon würde er das Mädchen in der Schenke auszahlen, und der Rest, schätzte Tom, würde seine Reisekosten decken.
»Danke.«
»Ich fürchte um deine Seele.«
»Ich weiß.«
»Schwöre, dass du nicht zurückkehren wirst.«
»Ich schwöre«, erklärte Tom Master.
»Ich werde für dich beten«, fügte sein Bruder hinzu, der allerdings große Zweifel hegte, dass seine Bemühungen etwas nützen würden.
Am Morgen darauf zog Tom in aller Frühe los. Bevor er das Haus verließ, schlich er sich in das Arbeitszimmer seines Bruders und stahl den Silberdollar mitsamt der Schachtel. Nur um Eliot zu ärgern.
Er nahm sich Zeit, ritt gemächlich in westlicher Richtung durch Massachusetts, übernachtete unterwegs auf Bauernhöfen. Als er den Connecticut River erreichte, hätte er eigentlich nach Süden abbiegen müssen, um nach Hartford zu gelangen. Aber die Vorstellung, sich von seinem Bruder etwas vorschreiben zu lassen, missfiel ihm so sehr, dass er sich noch ein paar Tage lang weiter nach Westen treiben ließ. Er hatte es nicht eilig. Das Geld, das er in einem kleinen Ranzen verwahrte, würde noch eine Weile vorhalten. Wie oft hatte er schon gehört, der große Nordfluss biete einen majestätischen Anblick. Vielleicht würde er bis dorthin reiten, ehe er umkehrte und sich nach Hartford aufmachte.
Von Connecticut war er auf niederländisches Territorium gelangt. Aber er bekam niemanden zu Gesicht und zog vorsichtig, auf der Hut vor Indianern, ein, zwei Tage lang weiter. Am Abend des zweiten Tages begann das Land sich zu senken, und bald sah er den Bogen des großen Stromes. Auf der Terrasse oberhalb des Flussufers entdeckte er ein holländisches Gehöft. Es war klein: eine eingeschossige Hütte mit einem breiten Vordach, einer Scheune an der einen, einem Stall und einem niedrigen Wirtschaftsgebäude an der anderen Seite. Eine Wiese zog sich hinunter zum Flussufer, wo sich ein Anlegesteg und ein Boot befanden.
Ein dünner Mann um die sechzig öffnete ihm mit einem sauertöpfischen Gesicht. Als Tom zu verstehen gab, dass er Unterkunft für die Nacht suchte, bedeutete ihm der Bauer, der kaum Englisch sprach, mürrisch, dass er im Haus essen könne, dann aber in der Scheune schlafen müsse.
Nachdem er sein Pferd in den Stall gebracht hatte, betrat Tom die Hütte, wo sich der Bauer, zwei Männer, die er für Knechte hielt, und ein Schwarzer, der vermutlich ein Sklave war, gerade zum Abendessen eingefunden hatten. Die Hausherrin, eine kleine blonde Frau, erheblich jünger als der Bauer, forderte die Männer auf, sich zu setzen, und wies Tom seinen Platz zu. Von Kindern sah er keine Spur. Tom hatte gehört, dass die holländischen Bauern mit ihren Sklaven zusammen aßen, also war mit Sicherheit der gesamte Haushalt an diesem Tisch versammelt.
Die Frau war eine hervorragende Köchin. Der Eintopf schmeckte köstlich und wurde mit Bier hinuntergespült. Anschließend gab es einen großen Obstkuchen. Die Tischgespräche hielten sich allerdings in Grenzen, und da Tom kein Niederländisch sprach, konnte er selbst nichts beisteuern.
Die Frau machte ihn neugierig. War der Bauer ein Witwer, der noch einmal geheiratet hatte? Konnte sie seine Tochter sein? Oder war sie so etwas wie eine Haushälterin? Trotz ihrer kleinen Körpergröße hatte sie üppige Brüste und dazu eine entschieden sinnliche Ausstrahlung. Der grauhaarige Bauer redete sie mit Annetje an. Die Männer begegneten ihr mit Respekt, aber zwischen dem Bauern und ihr schien eine gewisse Spannung zu bestehen. Als sie ihm die Schüssel mit dem Eintopf vorhielt, sah Tom, dass er sich zurücklehnte, wie um nicht mit ihr in Berührung zu kommen. Und während sie stumm dasaß und der Unterhaltung folgte, glaubte Tom so etwas wie unterdrückte Gereiztheit in ihrer Miene zu bemerken. Ein- oder zweimal hatte er den Eindruck, dass sie ihn beobachtete. Nur einmal, als sich ihre Blicke begegneten, lächelte sie ihm zu.
Als die Mahlzeit vorüber war, begaben sich die Knechte und der Sklave zum Schlafen ins Nebengebäude, und Tom ging hinaus in die Scheune. Es war schon fast dunkel, aber er fand ein paar Strohballen und breitete seinen Mantel darüber aus. Und er wollte sich gerade hinlegen, als er eine Gestalt mit einer Lampe sah, die auf ihn zukam.
Es war Annetje. In der Hand hielt sie einen Krug Wasser und eine Serviette, in die Kekse eingeschlagen waren. Als sie ihm diese gab, berührte sie seinen Arm.
Tom sah
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