Im Rausch der Freiheit
daran.
Van Dyck hatte den Eindruck, dass er mehr wusste, als er verriet. Die Indianer fragten ihn, ob der Fremde ein guter Mann sei. »Ich weiß es nicht«, antwortete er auf Algonkin. »Ihr solltet ihn im Auge behalten.«
Die Indianer baten van Dyck, nach dem Ende des Sommers zurückzukehren und sich ihnen bei der Jagd anschließen. Tatsächlich hatte er schon bei früheren Gelegenheiten mit ihnen gejagt. Die großen Jagden waren unterhaltsam, wenn auch erbarmungslos. Sobald das Wild aufgespürt worden war, fächerte sich eine riesige Gruppe -je mehr Männer, desto besser – zu einem großen Bogen auf und zog lärmend und mit Stöcken schlagend durch den Wald, um die Hirsche auf den Fluss zuzutreiben. Wenn die Tiere im Wasser waren und nur noch langsam vorankamen, war es ein Leichtes, sie zu erlegen. Solange es Hirsche gab, lebten diese Algonkin gut. Van Dyck versprach, dass er kommen werde. Und dann plauderte und lachte er noch eine Zeitlang mit ihnen.
Es war klar, dass seine offensichtlich guten Beziehungen zu den Indianern den jungen Engländer verblüfften. Und so fragte er van Dyck nach einer Weile, ob es für die Holländer normal sei, mit den Eingeborenen auf so freundschaftlichem Fuß zu verkehren.
»Ihr Engländer habt kein Interesse daran, die Sitten der Indianer kennenzulernen?«, fragte der Niederländer.
Der junge Mann schüttelte den Kopf.
»Die Bostoner sind fleißig dabei, sich ihre Indianer vom Hals zu schaffen. Das ist nicht weiter schwierig. Dazu brauchen sie nur eins.«
»Und das wäre?«
»Wampum.« Der junge Mann lächelte schief. »Die Bostoner verlangen von den Stämmen Tributzahlungen in Wampum, abhängig von der Anzahl der Männer, Frauen und Kinder, die zu ihnen gehören. Aber in der Regel schaffen es die Indianer nicht, die erforderliche Menge Wampum schnell genug anzufertigen. Und dann müssen sie uns stattdessen Land abtreten. Die indianische Bevölkerung schrumpft Jahr für Jahr.«
»Und wenn sie doch zahlen?«
»Dann erlegen ihnen unsere englischen Richter Bußgelder für ihre Straftaten auf.«
»Was für Straftaten?«
»Hängt davon ab.« Tom zuckte die Achseln. »Massachusetts fällt immer etwas ein, das eine Straftat darstellen könnte. Eines Tages wird es dort überhaupt keine Indianer mehr geben.«
»Ich verstehe.« Van Dyck sah den jungen Mann voller Abscheu an. Er hätte ihn am liebsten geschlagen. Doch dann kam ihm zu Bewusstsein: War das Verhalten der Niederländer auch nur im Mindesten besser? Jährlich ging die Zahl der Algonkin in den Neu-Niederlanden zurück. Die Jagdgründe auf Manhattan waren fast völlig verschwunden. Auf den Herrengütern Broncks und Jonkers wurden die Indianer ausgekauft und von ihrem eigenen Land vertrieben. Auf der Langen Insel sah es nicht anders aus. Es war nur eine Frage der Zeit, bis auch hier oben entlang des großen Flusses, wo die Niederländer bislang lediglich ein paar isolierte Außenposten unterhielten, die Algonkin zurückgedrängt wären. Beschleunigt wurde dieser Prozess durch die verheerende Wirkung der aus Europa eingeschleppten Krankheiten wie Masern und Blattern. Nein, dachte er traurig, es ist gleichgültig, aus welchem Landstrich wir kommen, früher oder später rottet der Weiße Mann die Indianer aus.
Wenngleich diese Überlegungen seinen Widerwillen gegen den Fremden etwas dämpften, verspürte van Dyck doch das Bedürfnis, diesen jungen Spund in seine Schranken zu weisen. Und als Tom bemerkte, Wampum gelte zwar als gut genug für die Indianer, in Boston werde aber heutzutage alles in englischen Pfund abgerechnet, sah er seine Gelegenheit gekommen.
»Das Problem mit euch Engländern«, sagte er, »ist, dass ihr zwar von Pfund redet, aber nichts habt, was man tatsächlich in die Hand nehmen könnte. Die Indianer haben wenigstens Wampum. In der Hinsicht«, fügte er kühl hinzu, »scheinen mir die Indianer Ihnen einen Schritt voraus zu sein.« Er verstummte, um festzustellen, wie der Bursche das aufnahm.
Denn es war absolut wahr. In England fand man die traditionellen Pennies, Shillings und Gold-Florins. Aber die größeren Münzwerte waren knapp. Und draußen in den Kolonien herrschten geradezu primitive Verhältnisse. In Virginia beispielsweise war die gängige Währung nach wie vor der Tabak, und die Wirtschaft basierte zu einem großen Teil auf Tauschhandel. In Neuengland rechneten Kaufleute untereinander zwar in Pfund Sterling ab und stellten eigene Kreditbriefe aus, aber englische Silber- oder Goldmünzen
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