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Im Rausch der Freiheit

Im Rausch der Freiheit

Titel: Im Rausch der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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amerikanischen Westens expandierte das Volumen des Gütertransports auf dem Schienenweg mit einer rasanten Geschwindigkeit. Große Summen wurden umgesetzt. Während die Briten ihr ausgedehntes Imperium ausbauten und die europäischen Mächte Afrika kolonisierten, trieben die Unternehmer der Ostküste im Eiltempo Eisenbahnlinien durch die Weiten des amerikanischen Westens.
    Bisweilen entbrannte ein Kampf um die Kontrolle einer bestimmten Strecke – oder einer Gesellschaft, die eine Linie bereits in trockenen Tüchern hatte. Es kam vor, dass zwei konkurrierende Gruppen praktisch nebeneinander Gleise verlegten, um zu sehen, wer als Erster am Ziel war. Waggonladungen von Bewaffneten in Diensten rivalisierender Gesellschaften trugen Meinungsverschiedenheiten durchaus auch mit dem Colt aus – nicht umsonst sprach man vom Wilden Westen. Mitunter gingen Konkurrenten aber auch subtiler vor.
    Die Niagaralinie war ursprünglich eine recht bescheidene Angelegenheit. Ein nettes kleines Eisenbähnchen, das einer landwirtschaftlichen Region im mittleren Westen Wohlstand bringen sollte, sobald sie an eine der größeren Eisenbahnlinien, die Güter herüber zum Hudson transportierten, angeschlossen wäre. Mr Love hatte drei Jahre zuvor die Aktienmehrheit der Niagaralinie aufgekauft und glaubte, deren Anschluss an die Hudson Ohio sei eine abgemachte Sache.
    »Und dann, Sir, hat dieser Mr Cyrus MacDuff die Hudson Ohio unter seine Kontrolle gebracht und mir den Weg verbaut. Nur um mich zu ärgern. Er hat, ohne mit der Wimper zu zucken, auf die zusätzlichen Profite verzichtet, die uns die Strecke eingebracht hätte, nur um mich bluten zu sehen. Ich habe mich bei der Niagara stark engagiert, aber wenn ich sie nicht an die Hudson-Ohio-Linie anbinden kann, sind meine Aktien wertlos. Heißt das«, fragte Gabriel Love, »etwa christlich handeln?«
    »Heißt es nicht«, sagte Sean. »Was schlagen Sie also vor?«
    »Ich werde Licht in die Finsternis bringen«, sagte Mr Love in gottesfürchtigem Ton. »Ich werde ihm die Aktienmehrheit der Hudson-Ohio unter der Nase wegkaufen und die Linie mit der Niagara verbinden.«
    »Das ist ein gewagter Plan«, sagte Sean. »Die Hudson-Ohio ist eine große Gesellschaft. Können Sie das wirklich schaffen?«
    »Vielleicht ja, vielleicht auch nicht. Aber ich werde MacDuff dazu bringen, dass er glaubt, ich könnte es. Und der Glaube«, sagte Gabriel Love mit einem engelsgleichen Lächeln, »ist etwas Wunderbares.«
    Erst als Mr Love den Rest seines Plans skizzierte, ging Sean auf, was Love in besonderer Weise auszeichnete.
    Zunächst einmal hatte er Geduld. Zwei Jahre zuvor hatte er still und unauffällig begonnen, Anteile der Hudson Ohio Railroad aufzukaufen. Immer nur in geringen Mengen, immer durch Maklerfirmen und Mittelsmänner. Er hatte es so geschickt angefangen, dass nicht einmal Mr MacDuffs Habichtsaugen etwas davon mitbekamen.
    »Zum jetzigen Zeitpunkt«, erklärte er Sean, »besitze ich sechsunddreißig Prozent des Unternehmens. MacDuff hält vierzig. Weitere zehn Prozent gehören anderen Eisenbahngesellschaften und Investoren, von denen ich mit Sicherheit weiß, dass sie nicht verkaufen wollen. Eine Handvoll Kleininvestoren halten insgesamt weitere zehn Prozent der Aktien, und die verbleibenden zehn liegen in den Händen Ihres Freundes Frank Master.«
    »Ich wusste nicht, dass er so kapitalstark ist.«
    »Es ist sein größtes Aktienpaket. Er hat es nach und nach aufgebaut und damit seinen Geschäftssinn bewiesen – es ist eine ausgezeichnete Investition.« Er lächelte. »Falls er mir seinen Anteil verkauft, dann hätte ich die Kontrolle über die Gesellschaft. Und da Sie mit ihm befreundet sind, würde ich Sie bitten, uns miteinander bekannt zu machen.«
    »Sie möchten, dass er Ihnen seine zehn Prozent verkauft?«
    Gabriel Love lächelte. »Nein. Aber ich möchte, dass MacDuff glaubt, er könnte es vielleicht tun.«
    Und aus diesem Grund hatte Sean das Dinner im Delmonico’s arrangiert. Als sie beim Digestif angelangt waren, kannte Seans Bewunderung für den alten Gabriel Love keine Grenzen mehr. Die Eleganz, die Symmetrie des Plans war von wahrhaft klassischer Schönheit. Und was musste Frank Master dabei tun? Nichts – außer die Stadt für ein paar Tage verlassen.
    Am nächsten Freitag würden sie sich noch einmal, wieder im Delmonico’s, treffen und die letzten Feinheiten abklären.
    *
    Am Samstagnachmittag ließ sich Sean gerade diese Angelegenheit erneut durch den Kopf gehen, als

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