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Im Rausch der Freiheit

Im Rausch der Freiheit

Titel: Im Rausch der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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dass Hetty ihr als Sängerin – was immer sie ansonsten für sie empfinden mochte – aufrichtigen Respekt entgegenbrachte.
    Wusste Hetty, dass Frank ihr Liebhaber war? Obwohl sie und Frank sich immer um äußerste Diskretion bemühten und Frank ihr ständig versicherte, dass seine Frau nicht die leiseste Ahnung habe.
    Jetzt schenkte Hetty den Tee ein. Allerdings wartete sie, bis die Zofe den Raum verlassen hatte, ehe sie das Wort ergriff.
    »Ich habe Sie hierher gebeten, weil ich Ihre Hilfe benötige«, sagte sie ruhig.
    »Wenn ich kann, gern«, sagte Lily etwas unsicher.
    »Ich mache mir Sorgen wegen Frank«, fuhr Hetty fort. Sie warf Lily einen kurzen Blick zu. »Sie nicht?«
    »Ich?«
    »Ja«, sagte Hetty in geschäftsmäßigem Ton. »Ich mache mir Sorgen wegen dieses Mädchens. Sind Sie ihr schon begegnet?«
    Lily war für einen Augenblick stumm. »Ich glaube, da haben Sie mir etwas voraus«, sagte sie vorsichtig.
    »Tatsächlich?« Hetty lächelte. »Ich weiß schon lange, dass Sie Franks Geliebte sind, wissen Sie?«
    »Oh«, sagte Lily. »Wie lange?«
    »Zwanzig Jahre.«
    Lily blickte auf ihre Hände hinab. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll«, sagte sie.
    »Wenn es schon jemand sein musste«, sagte Hetty, »dann war es mir wohl am liebsten, dass Sie es waren.«
    Lily sagte dazu nichts.
    »Sie waren sehr diskret«, fuhr Hetty fort. »Ich bin froh darüber.«
    Lily sagte immer noch nichts.
    »Zum Teil war es meine eigene Schuld, das ist mir mittlerweile klar. Ich habe ihn fortgetrieben, also hat er sich anderweitig Trost gesucht.« Hetty seufzte. »Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, würde ich anders handeln. Es ist schwer für einen Mann, wenn er glaubt, seine Frau achte ihn nicht.«
    »Sie sind sehr philosophisch.«
    »Das muss man in meinem Alter sein. In Ihrem auch, wenn Sie mir die Bemerkung gestatten. Jedenfalls ist es mir immer noch lieber, die Ehefrau zu sein und nicht die Geliebte.«
    Lily nickte. »Sie haben immer noch Ihre Ehe.«
    »Ja. Die Ehe mag kein idealer Zustand sein, aber sie bietet Schutz, insbesondere wenn man älter wird. Und wir werden alle älter, meine Liebe.« Sie warf Lily einen kurzen Blick zu, ehe sie fortfuhr. »Ich habe noch immer mein Zuhause, meine Kinder und Enkelkinder. Und auch einen Ehemann. Frank mag abgeirrt sein, doch er ist immer noch mein Mann.« Sie fixierte Lily gelassen. »In jeglicher Hinsicht.«
    Lily senkte den Kopf. Was konnte sie schon sagen?
    »Ich war verletzt, als Frank sich eine Geliebte nahm, das will ich gar nicht bestreiten, aber ich ziehe trotzdem meine Rolle der Ihren vor. Besonders jetzt.«
    »Jetzt?«
    »Diese junge Frau. Die, die Ihnen Frank weggenommen hat.«
    »Oh.«
    »Was wissen Sie über sie?«
    »Nicht viel.«
    »Nun, ich weiß eine ganze Menge.« Sie betrachtete Lily kurz. »Möchten Sie es gern hören?« Und als Lily zögerte: »Miss Donna Clipp ist eine kleine Hexe. Eine Goldgräberin. Und nicht nur das – sie stand in Philadelphia wegen Diebstahls vor Gericht. Mir liegen Beweise vor.«
    »Ich verstehe.«
    »Ich habe einen Anwalt Erkundigungen über sie einziehen lassen. Die natürlich Frank bezahlt hat, auch wenn er das nicht weiß. Er dachte, das Geld sei für Vorhänge. Er ist ihr völlig gleichgültig. Sie hat es lediglich auf sein Geld abgesehen.«
    »Das denken Sie vermutlich auch von mir«, sagte Lily traurig.
    »Ganz und gar nicht, meine Liebe. Ich bin sicher, dass er großzügig ist, aber das kann er sich schließlich leisten. Ich glaube zwar nicht, dass es der kleinen Miss Clipp gelingen wird, viel aus ihm herauszuholen. Wenn’s ums Geld geht, ist Frank alles andere als ein Dummkopf. Doch sie könnte ihn bei dem Versuch umbringen.« Sie seufzte. »Wir wissen beide, dass mein Mann allmählich alt wird. Und er ist eitel wie die meisten Männer. Sie ist eine junge Frau – erst dreißig, wissen Sie –, und ich bin mir sicher, er möchte sich beweisen.«
    »Und Sie befürchten, es könnte zu viel für sein Herz sein?«
    »Sie etwa nicht?«
    »Vielleicht«, sagte Lily.
    Hetty sah sie fest an. »Lieben Sie meinen Mann?«
    »Er ist mir sehr ans Herz gewachsen.«
    »Dann werden Sie mir helfen.«
    »Wobei?«
    »Nun, diese junge Frau loszuwerden, meine Liebe. Wir müssen Donna Clipp loswerden.«
    *
    Als Mary O’Donnell erfahren hatte, dass Mrs Master Lily de Chantal zum Tee erwartete, war sie überrascht gewesen. Sie wusste, dass die zwei Frauen sich nur entfernt kannten, und so nahm sie an, dass Mrs Master die Sängerin für

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