Im Rausch der Freiheit
werde.«
»Klingt interessant.«
»Vielleicht. Möchten Sie mit?«
Er zögerte einen Augenblick. »Ist eine Weile her, dass ich zuletzt in einem Kellertheater war.« Er lächelte. »Warum nicht?«
Das Theater lag im West Village. Und es befand sich tatsächlich im Souterrain eines Brownstone. Zwei, drei junge Leute standen auf dem Bürgersteig herum. Einer von ihnen hielt einen Becher Kaffee in der Hand. Doch die Tür zum Souterrain war geschlossen. Ein daran befestigter Zettel erklärte: »Heute keine Vorstellung.«
»Na toll«, sagte Sarah.
»Vielleicht haben sie nicht genug Zuschauer zusammenbekommen«, sagte Charlie.
»Das hält die doch nicht auf!«, sagte der Mann mit dem Becher Kaffee. »Julian ist krank.«
»Was ist mit Mark?«, fragte Sarah.
»Hat sich mit Helga gestritten.«
»Oh.«
»Vielleicht morgen«, sagte der Mann optimistisch.
»Tut mir schrecklich leid«, sagte Sarah zu Charlie. »War ein blöder Vorschlag.«
»Die Situation ist mir vertraut«, sagte Charlie unbeschwert. »Wollen wir was essen gehen?«
Sie schlenderten durch das Village, schauten sich Cafés und Restaurants an. Sie fanden eine kleine Trattoria, die ihnen zusagte, und bestellten Chianti und zwei Teller Pasta. Charlie grinste.
»Ich fühl mich so, als sei ich wieder Mitte zwanzig.«
»Ist doch nichts dagegen einzuwenden«, sagte sie.
Während sie aßen, unterhielten sie sich über Musik. Er erklärte ihr, welche Jazzlokale die besten in der Stadt seien. Sie erzählte ihm von ihrem Glück, die Wohnung im Village bekommen zu haben. Zum Nachtisch aßen sie Crème Caramel.
»Gehen Sie manchmal im Village spazieren?«, fragte sie, als sie fertig waren.
»Ja. Warum?«
»Ich hätte jetzt Lust dazu.«
»Einverstanden.«
Auf den Sträßchen herrschte ein recht reger Betrieb; die Restaurants waren gut besucht. Charlie fragte sich, worauf der Abend hinauslaufen würde – beziehungsweise welchen Ausgang er sich persönlich wünschte. Er fühlte sich leicht unbehaglich. Sie kamen an einem kleinen Lokal vorbei, in dem alle Tische mit Schachbrettern bestückt waren. Mehrere Männer saßen da und machten äußerst feierliche Gesichter. Von Zeit zu Zeit brachten ihnen die Kellner Getränke.
»Lust auf eine Partie?«, fragte Sarah.
»Okay. Sicher, warum nicht?« Sie setzten sich an einen Tisch und bestellten zwei kleine Kognaks. Eine halbe Stunde lang spielten sie, ohne ein Wort zu wechseln, dann sah Charlie sie argwöhnisch an und fragte: »Lassen Sie mich absichtlich gewinnen?«
»Nein.«
»Sind Sie sich da sicher?«
»Würde ich Sie anlügen?«
»Klar.«
»Vertrauen Sie mir.«
»Hmm. Matt.«
»So was.« Sie lachte. »Ich hab’s überhaupt nicht kommen sehen!«
Sie verließen das Lokal und schlenderten weiter die Straße entlang. An der nächsten Ecke entdeckten sie einen Süßigkeitenladen, der noch geöffnet hatte. Sarah forderte ihn auf zu warten, ging hinein und kam mit zwei Tütchen Karamellbonbons wieder heraus. Sie reichte ihm eine. »Ein Geschenk für Sie«, sagte sie.
»Danke.«
»Möchten Sie einen Kaffee? Ich wohne grad um die Ecke auf der Jane Street.«
Er zögerte einen Moment.
»Sie müssen nicht«, sagte sie.
»Kaffee wäre eine gute Idee«, sagte Charlie.
*
Während dieses ganzen Winters und Frühjahrs trafen sie sich in der Regel ein-, zweimal die Woche und verbrachten die Nacht manchmal in seiner Wohnung in Uptown, manchmal in ihrem Apartment im Village. Zum Teil war es für sie beide ein Abenteuer. Charlie wusste, dass sie danach gierte, sich das Wissen und die Erfahrung anzueignen, die er zu bieten hatte. Und seinerseits genoss er es, die Dinge, die ihm am Herzen lagen, mit einer so auffassungsfähigen Seele zu teilen und zu beobachten, wie sie wuchs und sich weiterentwickelte. Aber das war nur eine Hälfte der Sache.
Spätestens als es Januar wurde, war er von ihrem schmalen, blassen Körper wie besessen. Oft saß er nachmittags, während Sarah in der Galerie zu tun hatte, in dem kleinen Büro in der Nähe der Columbia oder in seiner eigenen Wohnung und verträumte eine geschlagene Stunde und mehr mit Gedanken an sie. Wenn sie neben ihm stand, brauchte sie nur ihren geschmeidigen Körper an ihn zu lehnen, damit ihn ein unbändiges Verlangen übermannte, sie zu besitzen.
Jedes Mal, bevor sie sich liebten, legte sie das Kettchen mit dem Anhänger ab, und diese kleine, ganz unbefangene Geste wurde für ihn zu einem Moment der Erregung und großen Zärtlichkeit. Wenn sie sich liebten, konnte
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