Im Rausch der Freiheit
wissen.
Er wollte nichts mit ihr anfangen, was, wenn es schlecht ausgehen sollte, die Theodor-Keller-Ausstellung gefährden würde. Kellers Werk lag ihm wirklich am Herzen, und das nötigte ihr Respekt ab. Also fühlte er sich halb zu ihr hingezogen, und halb schien es ihm lieber zu sein, ihre Beziehung vorerst auf professioneller Ebene zu belassen. Diese Schwierigkeit machte die Aufgabe, ihn zu verführen, umso reizvoller.
Sarah Adler war keine Jungfrau mehr. Davon brauchten ihre Eltern allerdings nichts zu wissen.
Charlie Master war ein interessanter älterer Mann, und sie war begierig, mehr über ihn zu erfahren. Sie wollte alles lernen, was er wusste. Und dann war er natürlich kein Jude..
Und somit verboten.
Das war zweifellos etwas, worüber es sich nachzudenken lohnte.
Am nächsten Tag machte sie sich an den Entwurf einer möglichen Anordnung der Keller-Ausstellung. Während sie über Gleichgewicht und Fluss nachdachte, gewann sie mehr und mehr den Eindruck, dass sich beides verbessern ließe, wenn sie aus bestimmten Perioden von Kellers Arbeit mehr Beispiele hätten. Sie notierte sich diese und fertigte außerdem ein erstes Exposé des Katalogs an. Den Text würde Charlie Master verfassen, doch sie skizzierte ein halbes Dutzend Punkte, auf die er ihrer Ansicht nach eingehen musste.
Die Galerie besaß eine gute Adressenkartei, aber ihr kam der Gedanke, dass eine zusätzliche Liste von Sammlern und Institutionen, die Stieglitz oder Ansel Adams gekauft hatten, nützlich sein würde. Auch das notierte sie sich und schrieb dazu die an Charlie gerichtete Frage, ob er Ideen habe, wie sie an diese Informationen kommen könnte. Dann zeigte sie das gesamte Material dem Galeriebesitzer und schickte es anschließend Charlie.
Ob ich Sie verführe oder nicht, Mr Master, dachte sie – das hier wird so oder so eine verdammt gute Ausstellung werden. Dann begann sie zu warten.
*
Er verliebte sich nicht sofort in sie. Zehn Tage, nachdem er das Material erhalten hatte, trafen sie sich in dem kleinen Büro in der Nähe der Columbia und verbrachten ein paar Stunden mit der Sichtung der Sammlung. Gemeinsam wählten sie fünf weitere Photos für die Ausstellung aus und entschlossen sich, eines aus der bisherigen Auswahl herauszunehmen.
Sie war äußerst sicher in ihrem Urteil, gleichzeitig aber auch bescheiden. Das gefiel ihm.
»Das ist die erste Ausstellung überhaupt, die ich für die Galerie organisiere«, erklärte sie ihm, »und ich muss noch schrecklich viel lernen. Ich habe große Angst, etwas falsch zu machen.«
»Sie machen es ausgezeichnet«, beruhigte er sie.
Die Woche darauf trafen sie sich in der Galerie, und sie zeigte ihm anhand einer detaillierten Planzeichnung, wie die Ausstellung aussehen würde.
»Wirklich sicher können wir erst sein, wenn die Photos hängen«, sagte er, »aber vorerst würde ich sagen, dass es gut aussieht. Sehr gut.« Sobald sie außer Hörweite war, beglückwünschte er den Galeriebesitzer. »Sie scheint wirklich talentiert zu sein«, sagte er.
»Neulich war sie bis zehn Uhr abends hier und hat die Adressenlisten durchgesehen«, erwiderte der Galerist. »Dafür verdient sie Hochachtung.«
Ein paar Tage später lud Charlie sie zum Essen ein, um sie einem ihm bekannten Sammler vorzustellen. Der Sammler war beeindruckt.
»Sie scheint sehr gut zu sein«, bemerkte er anschließend. »Und hinter diesen Brillengläsern …« – er grinste – »… sehe ich lodernde Feuer.«
»Glauben Sie?«, sagte Charlie.
»Sie haben’s nicht versucht?«
»Hmm«, sagte Charlie, »noch nicht.«
Vielleicht, überlegte er sich, konnte er ja ihr Mentor werden.
*
Als es passierte, ergab es sich einfach. Eines Abends kam er gerade von einer Besprechung zurück, als ihm bewusst wurde, dass er ganz in der Nähe der Galerie war. Als er sah, dass die Lichter noch brannten, schaute er spontan hinein. Sarah war allein. Sie schien sich zu freuen, ihn zu sehen.
»Ich wollte gerade zumachen.«
»Ich bin nur zufällig vorbeigekommen. Ich dachte, ich schau mir den Raum noch einmal an.«
»Nur zu.«
Es gab zwei Ausstellungsräume. Er ging in den zweiten, blieb dort stehen und betrachtete die Wände.
»Brauchen Sie mehr Licht?«, rief sie von nebenan.
»Nein. Danke. Ich werde jetzt wohl gehen. Was machen Sie heute Abend?«
»Tja, ein Freund von mir ist in einer kleinen Theatergruppe. Sie treten heute Abend auf- ich weiß nicht mal, womit –, aber ich habe versprochen, dass ich kommen
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