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Im Rausch der Freiheit

Im Rausch der Freiheit

Titel: Im Rausch der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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ändern zu können, erstarrte er zur Salzsäule. Wahrscheinlich sah er so aus, als habe er gerade im Park jemanden umgebracht.
    Der Cop beobachtete ihn. Er kam auf ihn zu.
    »Guten Tag, Officer«, sagte Gorham. Irgendwie klang das völlig absurd.
    »Im Park gewesen?«, fragte der Cop.
    »Ja.« Gorham bekam sich allmählich wieder in seine Gewalt. »Ich brauchte einen kleinen Spaziergang.« Der Cop beobachtete ihn weiterhin. Gorham lächelte traurig. »Sehe ich blass aus?«
    »Könnte man sagen.«
    »Dann sollte ich wohl besser einen Kaffee trinken, bevor ich zurückgehe.« Er nickte bitter. »Kein guter Tag. Mein Vater hat Krebs.« Und da es stimmte, spürte er, wie ihm die Tränen in die Augen stiegen.
    Der Cop sah es.
    »Tut mir leid, das zu hören«, sagte er. »Wenn Sie dieser Straße dort bis zur Lexington folgen, finden Sie ein Lokal, wo Sie einen guten Kaffee bekommen.«
    »Danke.« Er überquerte die Fifth und ging den ganzen Block bis zur Lexington. Dort bog er nach Norden ab, lief ein paar Blocks weiter und kehrte dann zur Park Avenue zurück.
    Als Mabel ihn in die Wohnung ließ, war sein Vater noch auf. Er saß im Sessel, hing aber halb über eine Armlehne, und sein Gesicht wirkte ausgezehrt. Es war offensichtlich, dass der Tag ihn sehr angestrengt hatte.
    »Ich hab den Typ mit der roten Baseballkappe gefunden«, sagte Gorham schnell und leerte seine Hosentasche. Er grinste. »Um ein Haar wäre ich festgenommen worden.«
    Charlie brauchte ein paar Augenblicke, um seine Kräfte zu sammeln. Doch dann schaute er mit einem Ausdruck der Dankbarkeit zu Gorham auf, der anrührend war.
    »Das hast du für mich getan?«
    »Ja«, sagte Gorham. Und gab ihm einen Kuss.

NACH EINBRUCH DER DUNKELHEIT
1977
    Als sich der 13. Juli, ein Mittwoch, zum Abend hin neigte, wurde die Atmosphäre, die schon den ganzen Tag heiß und feucht gewesen war, so drückend, als könnte jeden Augenblick ein Gewitter losbrechen. Gorham hegte keine besonderen Erwartungen für diesen Abend – abgesehen von der Freude natürlich, seinen guten Freund Juan zu sehen.
    Mit einem großen Regenschirm in der Hand schritt Gorham von seiner Wohnung an der Park Avenue in nördlicher Richtung. Juan sah er nur knapp alle sechs Monate einmal, aber es war jedes Mal ein besonderes Vergnügen. Gegensätze in jeglicher Hinsicht waren sie seit ihrer Zeit an der Columbia miteinander befreundet. Und wenngleich Gorham sich auf seinen großen und buntscheckigen Freundeskreis einiges einbildete, hatte er von jeher das Gefühl gehabt, dass es mit Juan etwas Besonderes war. »Schade, dass mein Vater nicht mehr lebt«, sagte er einmal am Anfang ihrer Bekanntschaft zu Juan. »Du hättest ihm gefallen.« Und aus Gorhams Mund war das ein großes Kompliment.
    Jetzt, im Jahr 1977, konnte Gorham Master mit einigem Recht behaupten, dass sein Leben – zumindest bislang – nach Plan verlaufen war. Nach dem Tod seines Vaters hatte er die Wohnung an der Park Avenue bis zum Ende seiner Zeit in Harvard vermietet und, wenn er gelegentlich in die Stadt kam, bei seiner Mutter auf Staten Island gewohnt. Bei der Rekrutierung hatte er Glück gehabt und bei der Auslosung eine niedrige Zahl erwischt. Auf diese Weise kam er um die Einberufung zum Vietnamkrieg herum. Dann schaffte er es, die Columbia Business School so sehr zu beeindrucken, dass er auch ohne die normalerweise erforderliche Berufserfahrung zum Master-Studium zugelassen worden war. Gorham hatte keine Lust zu trödeln; er wollte loslegen. Trotzdem war die Columbia eine wunderbare Erfahrung gewesen. Durch das Wirtschaftsstudium hatte er nicht nur ein solides intellektuelles Bezugssystem für die Planung seines weiteren Lebens erhalten, sondern auch eine Reihe interessanter Freunde gewonnen – darunter eben Juan Campos. Nach Abschluss seines Master-Kurses hatte er sich, noch nicht Mitte zwanzig, in der beneidenswerten Situation befunden, Eigentümer einer unbelasteten Sechszimmerwohnung an der Park Avenue zu sein sowie einer Geldsumme, die auf Jahre hinaus sämtliche Unterhaltskosten decken würde – und das alles, bevor er auch nur seine erste Stelle angetreten hatte.
    Dies alles mochte ihn nach den Maßstäben seiner Klasse noch nicht zum reichen Mann machen, aber der Besitz von so viel Geld in so jungen Jahren hätte Gorham, wäre er ein anderer Mensch gewesen, jeden Antrieb zum Arbeiten nehmen und ihn dadurch fürs Leben verderben können. Zum Glück für ihn brannte in ihm ein so starker Ehrgeiz, den Status, den seine

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