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Im Rausch der Freiheit

Im Rausch der Freiheit

Titel: Im Rausch der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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zustellen. Und das meinte er weiß Gott ernst.
    Seine berufliche Laufbahn hatte gut angefangen. Zuallererst galt es zu entscheiden, bei welcher Art von Bank er arbeiten wollte. Seitdem der Glass-Steagall Act von 1933 das Bankwesen infolge des großen Börsencrashs neu geregelt hatte, gab es zwei grundsätzliche Laufbahnen, zwischen denen man als angehender Banker wählen musste: bei einer Geschäftsbank, also einer von der Sorte, der man als Privatperson seine Ersparnisse anvertraute, oder bei einer Investmentbank – oder Merchant Bank, wie man in London dazu sagte –, wo Großkunden ihre Geschäfte tätigten.
    In einer Geschäftsbank, hieß es, habe man weniger Risiken, weniger Stress und – in aller Regel – einen sicheren Posten bis zum Renteneintritt; in einer Investmentbank gab es höhere Profite und Gehälter, aber auch verschärfte Risiken. Alles in allem zog es ihn stärker zu der Achtbarkeit und Finanzkraft der großen Geschäftsbanken hin, denn er schätzte die Solidität, die sie repräsentierten. Er bekam eine Stelle bei einer großen Bank angeboten und war damit sehr zufrieden.
    Im internen Ausbildungsprogramm schnitt er gut ab und wurde der KFZ-Abteilung zugeteilt. Er verbrachte lange Stunden damit, Tilgungsraten und Zinsen für Kredite auszurechnen, aber er arbeitete schnell und hatte einen Blick fürs Detail, und als er die Chance erhielt, sich mit den Darlehensbedingungen gründlich zu befassen, stellte er fest, dass er eine natürliche Begabung für das Verständnis von Verträgen hatte. Und anders als manch anderer Aristokrat erledigte er nicht nur seine Arbeit, sondern bat um mehr davon.
    »Wie ich sehe, fürchten Sie sich nicht vor harter Arbeit«, bemerkte sein Chef nach einer langen Sitzung.
    »Anders kommt man auf der Lernkurve nicht voran«, erwiderte Gorham munter.
    Und als sein Chef ihn zu Treffen mit Kunden mitnahm, fanden diese ihn sympathisch. Kundenbesprechungen waren in der Automobilbranche eine entspannte Angelegenheit, die auf dem Golfplatz erledigt wurde. Charlie hatte nie einem Country Club angehört, während Gorham schon im Internat Golf spielen lernte und dem Sport seitdem treu geblieben war. Bei diesen Gelegenheiten machte er sich gut, und sein Chef nahm das zur Kenntnis. Gute Beziehungen zu den Kunden waren im Bankgeschäft sehr wichtig.
    Zwei Jahre zuvor hatte Gorham es zum Assistant Vice President gebracht. Er war auf dem Weg nach oben. Alles, was er jetzt noch brauchte, war die perfekte Karrieregattin. Er hatte schon mehrere Freundinnen gehabt, aber keine von ihnen schien das Zeug zu einer Mrs Gorham Master zu haben schien.
    *
    Um halb acht verließ Maggie O’Donnell das Croydon Building, das elegante Mietshaus an der 86th Street, bog in die Madison ein, ging ein paar Blocks in nördlicher Richtung, am Jackson Hole vorbei, wo sie ihre Hamburger kaufte, bis zu dem winzigen aufstrebenden Restaurant, das vergleichsweise preiswerte abendlich wechselnde Menüs anbot. Das am äußersten oberen Ende der Upper East Side gelegene Carnegie-Hill-Viertel beherbergte eine Menge junger Berufstätiger, die froh über die Gelegenheit waren, für wenig Geld in einer amüsanten Umgebung essen zu können, und das halbe Dutzend Tische des kleinen Restaurants war in der Regel voll belegt.
    Sie war mit ihrem Bruder verabredet. Falls er denn erscheinen würde.
    Das musste man Martin andererseits lassen – falsche Versprechungen hatte er nicht gemacht. Der Buchladen, in dem er arbeitete, veranstaltete an dem Abend eine Lesung. Wenn er benötigt wurde, musste das Essen mit seiner Schwester ins Wasser fallen. Wenn nicht, würden sie sich im Restaurant treffen.
    Maggie hatte ihren Tag gut organisiert. Beim Arzt war sie zu einer Routineuntersuchung für halb sechs angemeldet. Die Praxis befand sich an der Park Avenue in den Eighties. Damit blieb ihr genügend Zeit, um anschließend wieder heimzugehen, die Wäsche zu erledigen und zum Restaurant zu gehen. Nach dem Essen würde sie mit dem Taxi in ihr Büro in Midtown fahren und bis Mitternacht an einem Vertrag arbeiten. Maggie war Anwältin bei Branch & Cabell. Und wie alle jungen Mitarbeiter der großen Manhattaner Anwaltskanzleien arbeitete sie sehr hart. Die Anwälte von Branch & Cabell glichen den Unsterblichen. Schlafbedürfnis oder Müdigkeit schienen sie nicht zu kennen. Sie arbeiteten in ihrem holzgetäfelten Hochhaus im Dienste der Mächtigen und verschickten ihre gesalzenen Rechnungen für geleistete Überstunden.
    Maggie war mit ihrem

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