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Im Rausch der Freiheit

Im Rausch der Freiheit

Titel: Im Rausch der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Lebenshaltungskosten, die sie sich teilten, und mehr brauchten sie nicht zu wissen. Bis Maggie zum Partner aufstieg, war sein Gehalt, wie er vermutete, höher gewesen. Mittlerweile war er sich nicht mehr so sicher. Natürlich spielte das eigentlich keine Rolle. Wenn man die Aktienoptionen und die Boni mitrechnete, die er sich jedes Jahr verdiente, dann, schätzte er, brachte er wahrscheinlich weiterhin mehr als sie nach Hause. Andererseits strichen Partner in großen Anwaltskanzleien ja unglaubliche Summen ein … Aber sobald er erst mal an der Börse richtig abgesahnt hatte, dachte er mit heimlicher Befriedigung, würde er es ihr schon sagen!
    Zunächst war alles bestens gelaufen – bis zu dem Desaster vom letzten Monat.
    Denn im Oktober brachen die Aktienkurse ein. Es war kein Börsenkrach wie der von 1929, jedoch ein kräftiger Einsturz. Die Maklerfirmen verbuchten hohe Verluste und entließen im großen Stil Mitarbeiter. Geschäftsbanken und Mitarbeiter wie er selbst, waren davon nicht betroffen, ebenso wenig natürlich die großen Anwaltskanzleien, die von Desastern und deren Abwicklung ja immer nur profitierten.
    Aber sein Privatvermögen war erheblich geschrumpft. Vor zwei Tagen war er, nachdem er alle Telefonate erledigt hatte, die kläglichen Überreste seines Aktienpakets durchgegangen und musste feststellen, dass er genau da stand, wo er mehrere Jahre zuvor angefangen hatte. So viel zum Thema. Nur gut, dass sie ohnehin in diesem Jahr noch keine größere Wohnung zu kaufen planten.
    Maggie hatte er lieber nichts davon erzählt. Es war ja nicht nötig, sie kurz vor ihrer Niederkunft mit einer derartigen Nachricht zu beunruhigen.
    Es war drei Tage her, dass ihm aus heiterem Himmel ein Angebot unterbreitet worden war. Ein Anruf von einem Banker, den er flüchtig kannte. Ein diskretes Treffen, gefolgt von drei weiteren Treffen mit Partnern des fraglichen Investmenthauses. Dann ein vorsichtiges Angebot. Etwas, worüber er nachdenken konnte.
    Ob er sich vorstellen könnte, ins Investmentgeschäft zu wechseln, lautete die Anfrage. Das war natürlich schmeichelhaft. Die Partner in der Investmentbank waren der Meinung, er könne ihnen durch seine Fähigkeiten und durch seine Kundenbeziehungen von großem Nutzen sein, und nachdem sie die Angelegenheit ausführlich besprochen hatten, sah er ihre Argumente ein. Der Betrieb machte einen guten Eindruck, und die Leute, mit denen er zusammenarbeiten würde, waren ihm sympathisch.
    Und wie in einer Investmentbank üblich würde die Arbeit spannend sein, ihm Gelegenheit zu eigenen kreativen Initiativen bieten und die Aussicht, einen Haufen Geld zu verdienen. Und beträchtlich längere Arbeitszeiten.
    Möglicherweise war das eine große Chance für ihn. Vermutlich genau die Art von Gelegenheit, die die Masters von früher beim Schopf ergriffen hätten. Die Kehrseite der Medaille war, dass er einen Batzen Aktienoptionen verlieren und seine kleine Familie wahrscheinlich seltener zu sehen bekommen würde.
    Sollte er es tun? Besaß er das nötige Selbstvertrauen? War er bereit, gerade nachdem er an der Börse Prügel bezogen hatte, seine Sicherheit aufzugeben?
    Er wusste es nicht. Er musste das mit Maggie besprechen. Aber das war nicht unbedingt das Thema, das man seiner Frau vorlegte, wenn sie gerade dabei war, ein Kind auf die Welt zu bringen.
    *
    Es ging wieder vorwärts. Der Lastwagenfahrer hatte seine Ware abgeladen, der Russe ihn angepöbelt, der Lastwagenfahrer zurückgepöbelt, und jetzt rasten sie, der Russe wütend vor sich hin murmelnd, die Madison hinauf. Zum Glück erwischten sie auf der Madison eine grüne Welle, sodass sie nicht, wie vorher auf der Park Avenue, alle acht bis zehn Blocks halten mussten. In wenigen Minuten erreichten sie das Mount Sinai, und er hetzte hinein.
    Maggie war schon in den vierten Stock gebracht worden. Als er oben ankam, war der erste Mensch, den er sah, Dr. Caruso.
    »Es ist alles bestens«, beruhigte ihn Caruso. »Ich habe sie sofort raufbringen lassen – der Muttermund ist schon ziemlich weit offen.«
    »Sie wäre besser nicht ins Büro gegangen, stimmt’s?«
    Der Arzt zuckte mit den Schultern. »Sie kennen ja Ihre Frau. Andererseits läuft die Geburt bei aktiven Frauen, sofern keine Probleme auftreten, oft leichter ab.« Er grinste. »Etwas weniger holterdiepolter wäre mir vielleicht trotzdem lieber gewesen.«
    »Wenigstens brauchen Sie Ihren Job nicht im Konferenzraum von Branch & Cabell zu erledigen. Ist doch auch

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