Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Rausch der Freiheit

Im Rausch der Freiheit

Titel: Im Rausch der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
Vom Netzwerk:
darauffolgenden Jahr war Gorham in den Vorstand der Eigentümergemeinschaft gewählt worden und behielt das Amt mehrere Jahre lang.
    Doch selbst die acht Zimmer waren schnell vollgestellt. Denn nach den zwei Jungen hatten sie sich beide noch eine Tochter gewünscht, und so erblickte 1992 Emma das Licht der Welt. Die zwei Jungs mussten sich das zweite Schlafzimmer teilen, während Emma das dritte bezog. Bei einer »Acht« lagen zwei Zimmer hinter der Küche und waren für Dienstboten gedacht, und als Emma eintraf, war zu Bella, der Hauswirtschafterin, bereits Megan, die Nanny, einquartiert worden – ein munteres Mädchen aus Wisconsin, das mehrere Jahre bei ihnen wohnte, bis es von seiner Cousine Millie abgelöst wurde. Mit diesem angenehmen Upper-East-Side-Haushalt wäre jeder vernünftige Mensch mehr als zufrieden gewesen.
    Doch genau da hatte Gorham zum ersten Mal in seinem Leben angefangen, davon zu träumen, außerhalb von New York zu leben.
    Nicht, dass an der Stadt viel auszusetzen gewesen wäre. Ja, für viele Menschen bot New York in letzter Zeit zunehmend mehr Lebensqualität, als es seit Jahren der Fall gewesen war. Bürgermeister Koch war David Dinkins ins Amt gefolgt, der als Afroamerikaner mehr Verständnis für die Probleme Harlems und anderer unterprivilegierter Viertel aufzubringen schien. New York behielt seinen Ruf als eine Stadt mit hoher Kriminalität, bis der Hardliner Rudolph Giuliani 1993 Dinkins ablöste. Man mochte von Giuliani persönlich halten, was man wollte, aber seine »Nulltoleranz-Politik« bei der Bekämpfung von Verbrechen schien funktioniert zu haben. Heutzutage konnte man nahezu bedenkenlos durch die Straßen laufen.
    Die Stadt wirkte insgesamt sauberer. Der hinter der New York Public Library gelegene kleine Bryant Park, Jahrelang eine trostlose Enklave für Drogendealer, wurde nach und nach in eine Grünanlage verwandelt, in der die Angestellten der nahegelegenen Büros ausspannen und einen Cappuccino trinken konnten. Die schäbigen Pornokinos an der 42nd Richtung Times Square waren restlos verschwunden. Downtown, SoHo und das daran angrenzende, neuerdings als TriBeCa (Triangle Below Canal) bekannte Szeneviertel wurden allmählich zu schicken Enklaven für Leute, die gern in Lofts wohnten. Gewiss, diese Gentrifizierung und Yuppiesierung würden dem Stadtteil vielleicht etwas von seinem ursprünglichen Charakter rauben, aber alles in allem betrachtete Gorham die Veränderungen als positiv.
    Nein, sein Wunsch, die Stadt zu verlassen, war zumindest in seinem Anfangsstadium schlicht der Wunsch nach mehr Bewegungsfreiheit gewesen.
    Denn so geräumig und so schön die Wohnung auch sein mochte, gab es doch immer wieder Augenblicke, da sich alle Familienmitglieder danach sehnten, sich mehr ausbreiten zu können. Die Jungen hätten gern jeder ein eigenes Zimmer gehabt. Und im Hochsommer war New York eine echte Prüfung. Viele von den Bankern, die Gorham kannte, wohnten in den Vororten. Zwei seiner Freunde, beide Senior Vice Presidents wie er, besaßen herrschaftliche Häuser in New Canaan, mit einem halben oder einem ganzen Hektar Land drum herum, Tenniscourt und Swimmingpool. Sie mussten zwar jeden Morgen früh aufstehen, um in die City zu fahren, aber sie fanden, dass es die Mühe lohnte.
    »Die haben keine berufstätige Ehefrau«, merkte Maggie sehr vernünftig an. »Ich kann nicht gleichzeitig Mutter und Pendlerin sein.« Sie lächelte. »Nicht einmal, wenn ich mir einen Wagen mit Chauffeur leisten könnte. Und überhaupt«, fügte sie hinzu, »gibt es in der Stadt bessere Schulen.«
    1997 hatten sie allerdings einen Kompromiss gefunden, ein kleines Bauernhaus ausgerechnet in North Salem. Noch ein, zwei Meilen weiter nördlich, und sie wären in Putnam County gewesen, wo die Immobilienpreise und die Grundsteuer niedriger waren, während North Salem noch gerade eben zu Westchester County gehörte und horrende Steuern und Schulgebühren verlangte. Aber das Haus war traumhaft, und es stand nun einmal dort.
    Gorham war rundum zufrieden. Sie fuhren fast jedes Wochenende hin, sehr zur Freude ihrer Kinder. Im Sommer pendelten er und Maggie an mehreren Tagen von dort aus in die Stadt. Die Fahrt dauerte – ob mit dem Auto oder mit der Bahn – eineinviertel Stunde. Gorham fühlte sich so, als habe sich in seinem Leben ein Fenster aufgetan.
    Und wie man zugeben musste, passte das Arrangement in seinen Lebensplan. Andere Leute mochten Sommerhäuser auf Long Island besitzen oder mieten; die

Weitere Kostenlose Bücher