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Im Rausch der Freiheit

Im Rausch der Freiheit

Titel: Im Rausch der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Geschäftskonzepten zu basieren, die ihn in ihrer Unausgegorenheit an eine weit zurückliegende Epoche erinnerten.
    »Wie ich die Sache sehe«, hatte er zu Maggie gesagt, »passiert hier in etwa das Gleiche wie im 19. Jahrhundert mit den Eisenbahnen. Damals kämpften verschiedene Gesellschaften um die Kontrolle der Route, über die Personen und Güter befördert werden sollten. Jetzt kämpfen die Dotcom-Unternehmen um die Kontrolle eines Informationshighways, den sie zu einem riesigen Netzwerk ausbauen wollen, noch bevor ein nennenswerter Verkehr darauf stattfindet.« Er zuckte die Achseln. »Die Leute investieren in Erwartungen.«
    Aber sie investierten, und sie wurden damit ungeheuer reich. Der NASDAQ-Markt boomte. Junge Spunde von gerade mal Anfang, Mitte zwanzig sahnten Summen in zwei-, ja zum Teil dreistelliger Millionenhöhe ab und kauften sich riesige Lofts in TriBeCa, weil sie den alten Geldadel an der Park Avenue und der Fifth Avenue langweilig fanden. Makler, die diese Börsengänge organisierten, verdienten ähnlich hohe Beträge. Wall-Street-Trader bekamen gigantische Bonboni und legten für Luxuswohnungen Millionen Dollar bar auf den Tisch.
    Profitierte seine Familie von dieser Geldexplosion? Maggie verdiente gut – ihr Bruder Martin lebte inzwischen mit einem Mann zusammen, der sich nach dem Verkauf einer kleinen Dotcom-Firma ein ganzes Gebäude in SoHo gekauft und zu einem privaten Wohn- und Galeriekomplex umgebaut hatte; außerdem besaß er ein Strandhaus auf Fire Island.
    Gorham hingegen hatte es nicht geschafft, auf den fahrenden Zug aufzusteigen. Rückblickend bedauerte er seine Entscheidung, 1987 das Angebot der Investmentbank abgelehnt zu haben. Er hätte diesen Weg einschlagen sollen – Gott allein wusste, wie viel sich in dem Fall jetzt auf seinem Konto befände! Meistens war er – wenn er, von Wirtschaftsbankern gleich ihm umgeben, im Büro saß – zu beschäftigt, um sich solchen Gedanken hinzugeben. Aber gelegentlich wurde er, unvermittelt und schmerzhaft, mit der Nase darauf gestoßen.
    Wenn er sich etwa ein Ballspiel in der Privatschule seiner Kinder anschaute, war es unmöglich, die parkenden Luxuslimousinen zu übersehen, aus denen einige der anderen Väter, die Wall-Street-Macher, gerade ausstiegen. Natürlich fielen nie irgendwelche Bemerkungen, doch während er beim bloßen Gedanken an die Schulgebühren innerlich zusammenzuckte, bedachten diese Typen die Schule mit Spenden in Millionenhöhe und wurden dafür in das Kuratorium aufgenommen. Er wusste das. Die Kinder wussten es ebenfalls. Und die Leute in New York wussten sowieso Bescheid. Immer. Das schlimmste Erlebnis dieser Art trug sich aber im Herbst 1999 zu, als er und Maggie mit Peter Codford essen gegangen waren.
    Peter Codford war Gorhams ehemaliger Kommilitone von der Columbia. Nach dem Studium arbeitete er eine Zeitlang in Kalifornien im Venture-Kapital-Geschäft, um später in New York eine eigene Maklerfirma zu gründen. Er und Gorham hatten sich seit vielen Jahren nicht mehr gesehen, als sie sich zufällig auf einer Konferenz trafen, und Peter lud Gorham zum Essen ein.
    Peter Codford war sechs Fuß und vier Zoll groß, schlank und athletisch gebaut, und er hatte noch immer dasselbe dichte dunkelbraune Haar wie bei seinem Uniabschluss. Nur die Falten in seinem Gesicht waren tiefer geworden. Doch das betonte nur diese Ausstrahlung von gelassener Autorität, die er bereits in seinen Zwanzigern besaß. Seine Frau Judy, lebhaft und intelligent, kannte, wie sich außerdem herausstellte, Maggie vom Jurastudium her.
    »Nach unserer Heirat habe ich noch eine Zeitlang weitergearbeitet«, erzählte Judy ihnen. »Dann musste Peter aber hierher, also habe ich aufgehört und seitdem auch nie wieder gearbeitet.« Sie lächelte. »Was ich ziemlich bedaure.«
    Die Codfords wohnten in fünfzehn Zimmern an der Fifth, nicht weit von der Metropolitan. Es war ein wahrer Palast, und Gorham und Maggies Wohnung an der Park Avenue hätte dort bequem zweimal hineingepasst. Peter besaß außerdem ein Haus in den Hamptons, am Georgica Pond, und eine weitere Wohnung auf dem Nob Hill in San Francisco.
    Die Konversation verlief durchaus ungezwungen. Die zwei Ehepaare hatten den gleichen Background und die gleichen Anschauungen und darüber hinaus einige gemeinsame Erinnerungen. Gorham stellte mit Interesse fest, dass Peter den Dotcom-Boom mit ähnlicher Zurückhaltung betrachtete. »Viele haben einen Haufen Geld verdient«, sagte er, »aber eine

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