Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Rausch der Freiheit

Im Rausch der Freiheit

Titel: Im Rausch der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
Vom Netzwerk:
Abends zufällig mitanhörte, was Maggie am Telefon – er wusste nicht, mit wem sie sprach – sagte.
    »Ich weiß einfach nicht, was ich mit ihm machen soll«, sagte sie. »Es ist wirklich schwierig.«
    Als sie ihn hereinkommen sah, beendete sie das Gespräch rasch und legte den Hörer auf.
    »Worum ging’s?«, fragte er.
    »Ach, nur um einen Mandanten, der mir einige Probleme bereitet«, sagte sie. »Ich möchte lieber nicht darüber reden.«
    Aber er hatte den Verdacht, dass sie es Wirklichkeit um ihn gegangen war.
    *
    Das neue Jahrtausend begann. Das viel beschrieneY2K-Problem machte sich in den USA, in Großbritannien oder den anderen Ländern, die Vorkehrungen dagegen getroffen hatten, so gut wie gar nicht bemerkbar. Andererseits blieben auch die Länder, die es fast völlig ignoriert hatten, davon verschont. In diesem Frühjahr erreichte der Dotcom-Boom seinen Gipfel, und dann ging der NASDAQ-Index auf ganzer Front auf Talfahrt.
    Anfang April rief Juan Campos an und klang sehr munter, und sie verabredeten sich zum Lunch. Seine Frau Janet hatte einen Dokumentarfilm über sein Community College gedreht. »Mit Dokumentarfilmen kann man keinen Penny verdienen«, stellte Juan fest, »aber die Sache hat sie ungeheuer befriedigt. Bei Gelegenheit möchte sie dir das Ergebnis vorführen.« Gorham freute sich, seinen Freund so optimistisch und vergnügt zu sehen, und versprach, ihn und Janet bald zu besuchen.
    Erst als Maggie ihn an dem Abend fragte, wie sein Lunch mit Juan gelaufen sei, und meinte, dass sie doch mal alle vier zusammen essen gehen könnten, kam ihm der Gedanke, dass sie möglicherweise hinter Juans Anruf steckte. Hielt ihn seine Frau wirklich für so aufheiterungsbedürftig? Er glaubte eigentlich, restlos zufrieden auszusehen.
    In dem Sommer reisten sie mit den Kindern nach Europa. Sie besuchten Florenz, Rom und Pompeji. Die Jungen wirkten durchaus interessiert, die kleine Emma allerdings war mit ihren acht Jahren vielleicht noch etwas zu jung, aber sie nahm die langen Warteschlangen, die sie nur teilweise mithilfe von Fremdenführern umgehen konnten, geduldig hin. Anschließend verbrachten sie ein paar Wochen am Strand, um die Kinder für die ganze aufgezwungene Kultur zu entschädigen. Es wurde einer der schönsten Urlaube, die sie seit Jahren erlebt hatten.
    Wieder in New York bemühte sich Gorham entschlossen, sein Leben weiter in geordneten Bahnen zu halten. Er kandidierte erneut für den Vorstand der Eigentümergemeinschaft und wurde problemlos hineingewählt. Einige der anderen Vorstandsmitglieder waren ihm zwar nicht besonders sympathisch, aber darum ging es nicht. Er war fest entschlossen, alles, was sein Leben ausmachte, mit beiden Händen zu packen und sich daran festzuhalten. Er machte es sich zur Regel, wenigstens alle zwei Wochen mit Maggie essen zu gehen, nur sie und er. Zeit war in New York streng rationiert. Bei der Arbeit gab es natürlich den Terminkalender, doch jetzt organisierte er auch sein Privatleben. Zweimal die Woche spielte er Tennis im Town Tennis Club nah dem Sutton Place beziehungsweise in den Wintermonaten auf den überdachten Courts unter der 59th Street Bridge. So gewann er das Gefühl, sein Leben im Griff zu haben. Maggie schien glücklich zu sein. Das Jahresende nahte, und Gorham war ziemlich stolz auf sich. Er ahnte nicht, was auf ihn zukam.
    In der Woche vor Weihnachten besuchte Gorham eine Cocktailparty und unterhielt sich dort mit einem sympathischen Mann.
    Er war Geschichtsdozent an der Columbia University. Gorham fragte ihn, woran er zurzeit arbeite.
    »Ich nehme gerade ein Sabbatjahr«, erklärte dieser, »sodass ich die Möglichkeit habe, ein Buch, an dem ich seit einigen Jahren arbeite, fertigzustellen. Es handelt von Ben Franklins Zeit in London. Ich stelle diesen Abschnitt seines Lebens in den Kontext dessen, was damals in den Naturwissenschaften, in der Philosophie, in der Politik passierte.«
    »Das klingt sehr interessant!«
    »Das ist es, glaube ich, auch.«
    »Erzählen Sie mir mehr davon.«
    »Aber wenn Sie genug haben, müssen Sie’s sagen!« Gorham schätzte den Mann etwa auf sein eigenes Alter. Mittelgroß, mit einem runden Gesicht und einer beginnenden Glatze, trug er eine Nickelbrille und eine Fliege. Er war freundlich und bescheiden, doch während er über die Welt sprach, in der Ben Franklin gelebt hatte, und über die blühende geistige Tradition, die er repräsentierte, war seine Begeisterung für das Thema offensichtlich. Sein

Weitere Kostenlose Bücher