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Im Rausch der Freiheit

Im Rausch der Freiheit

Titel: Im Rausch der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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aber mein Scheißhandy hat den Geist aufgegeben – ein netter Mann hat mir seins geliehen. Wo bist du?«
    »Auf der Church Street, Ecke Chambers. Maggie, ich gehe nicht nach Boston, okay? Das war eine blödsinnige Idee. Ich liebe dich.«
    »Ach, Gott sei Dank, Gorham! Ich liebe dich auch. Ich komme über die Treppe runter, aber das zieht sich noch hin. Ein Teil des Turms hat sich ein bisschen verdreht.«
    »Ich komme rein und hole dich.«
    »Tu das nicht, Schatz! Bitte. Ich weiß nicht mal, wo ich bin. Du würdest mich niemals finden, und bestimmt verpassen wir uns, und dann finde ich dich nicht. Bleib einfach nur dort. Ich bin auf dem Weg. Der Turm wird ja nicht gleich einstürzen.«
    »Dann rede weiter mit mir.«
    »Schatz, der Mann braucht sein Handy zurück. Ich melde mich. Warte einfach da, wo du gerade bist, und drück mich ganz fest, sobald ich draußen bin!«
    »Okay. Aber Maggie …« Sie hatte aufgelegt. »Ich liebe dich«, sagte er ins Handy.
    *
    Um 9:40 Uhr gelangte Dr. Caruso zu dem Schluss, dass es, wenn er überhaupt jemandem nützen wollte, höchste Zeit war, selbst die Initiative zu ergreifen. Er befand sich in der oberen Lobby, als er den ersten Aufschlag hörte. Im ersten Moment begriff er nicht, was es war. Ein paar Augenblicke später folgten zwei weitere.
    Körper. Sie fielen vom Nordturm. Er verstand, was das bedeutete. Offenbar saßen da Menschen in der Falle, und die Hitze wurde langsam unerträglich. Da blieb ihnen eine einzige Wahl: bei lebendigem Leibe zu verbrennen oder zu springen. Er hatte schon von Fällen gelesen, wo Menschen aus brennenden Häusern gesprungen waren, aber hier lag die Sache anders – es ging tausend Fuß in die Tiefe. Bei einer Beschleunigung von zweiunddreißig Fuß pro Sekunde und einer Fallhöhe von tausend Fuß schlägt ein Körper sehr hart auf. Er war sich nicht sicher, ob man unmittelbar vor dem Aufprall überhaupt noch bei Bewusstsein war, aber der Tod würde buchstäblich schlagartig eintreten. Wenn das seine einzigen Optionen wären, würde er selbst sich vermutlich ebenso fürs Springen entscheiden. Doch das Geräusch, das der Aufprall verursachte … Er versuchte, nicht hinzuhören, was für ein Geräusch es genau war.
    »Na, da ist ja mein Arzt! Sie dachten wohl, ich hätte Sie vergessen.« Das irische Gesicht des Einsatzleiters sah leicht erhitzt aus. »Wollen Sie mir einen Gefallen tun?«
    »Natürlich.«
    »Na gut, Doc, dann würde ich Sie bitten, rüber zur Trinity zu gehen. Da könnte es ein paar Leute geben, die ein bisschen Aufmerksamkeit brauchen, und ich glaube, ein paar meiner Jungs sind ebenfalls dort. Würden Sie das machen?«
    »Bin schon unterwegs.«
    Er trat hinaus auf die Liberty, bog auf den Broadway und ging in südlicher Richtung, froh, eine Aufgabe zu haben. Er sollte wohl seine Frau anrufen und sie beruhigen. Sie konnte dann in der Praxis Bescheid geben. Und wenn sie schon mal dabei war, fiel ihm plötzlich ein, sollte sie dann nicht auch die Maklerin anrufen und ihr sagen, dass sie es sich wegen der verdammten Wohnung in der Park Avenue anders überlegt hatten? Er verspürte nicht mehr die geringste Lust, dort hinzuziehen.
    *
    Es war schon fast zehn. Warum brauchte sie nur so lang? Gorham starrte auf den Turm. Während aus dem Nordturm nach wie vor helle Flammen schlugen, schien der Südturm in eine rauchigere, düsterere Stimmung verfallen zu sein. Es waren schon mehrere Explosionen von weiter unten in den Türmen zu hören gewesen. Gasbehälter, Elektrogeräte? Oder vielleicht, überlegte er, war Flugzeugtreibstoff in den Gebäuden nach unten geflossen, hatte sich irgendwo gesammelt, um plötzlich zu explodieren. Wer konnte das schon wissen? Aber was immer die Ursachen dieser anderen Geräusche sein mochten – was man jetzt aus dem Südturm hervorquellen sah, war kein Feuer, sondern Rauch.
    Fast zehn. Jetzt musste sie doch wirklich jeden Augenblick herauskommen!
    Sein Handy klingelte.
    »Hi, Schatz, ich bin’s.«
    »Gott sei Dank!«
    »Das war eine ziemliche Lauferei hier runter.«
    »Maggie …«
    »Was ist?«
    Seine Augen waren auf den oberen Teil des Südturms geheftet. Irgendetwas passierte da gerade. Die Spitze des Turms schien sich zu neigen, zu winden.
    »Maggie, wo bist du?«
    Jetzt schien sich der Turm wieder aufzurichten, jedoch nur weil weiter unten irgendetwas weggebrochen war oder sich verschoben hatte. Denn plötzlich begann sich das Dach des großen Turms zu senken.
    »Es ist okay, Gorham. Ich bin unten, und

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