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Im Rausch der Freiheit

Im Rausch der Freiheit

Titel: Im Rausch der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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reizend!«
    »Nein, Dad. Ernsthaft. Ich kann mich einfach nicht konzentrieren.«
    »Tja, es tut mir wirklich leid, das zu hören. Wann hast du das festgestellt?«
    »Dieses Jahr, schätze ich.«
    »Und du glaubst nicht, dass das irgendwie mit den vielen Partys zusammenhängen könnte, auf die du so gehst?«
    »Dad, sei ernst!«
    »Ich bin ernst. Hör zu, Emma, ich muss dir etwas sagen. Du kannst unmöglich ADS haben.«
    »Ach, und warum nicht?«
    »Hör zu, als ich dich heute Morgen hierhergeschleift habe, damit du dir diese zwei riesigen Chagalls am Eingang der Met anschaust – hattest du damit irgendwelche Probleme?«
    »Ja.«
    »Ich meine damit nicht, ob du den ganzen Weg durch den Park darüber gemotzt hast, dass du dir das verdammte Opernhaus anschauen musstest – das, beiläufig gesagt, ein sehr schönes Opernhaus ist und ein gewaltiges Stück besser als das alte, aber das nur am Rande. Ich meine Folgendes: Ist es dir gelungen, die Chagalls anzuschauen und sie auf dich wirken zu lassen?«
    »Es ist mir sehr schwergefallen.«
    »Nein, ist es nicht. Ich habe dich beobachtet.«
    »Das ist so was von unfair! Du bist noch schlimmer als Mommy!«
    »Wow. Schlimme Beleidigung.« Er sah sie ernsthaft an. »Emma, du musst etwas begreifen. Es gibt das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom. Einige Menschen haben das, und wenn sie es wirklich haben, ist es kein Spaß. Nur behaupten heutzutage die Hälfte der Kids in deiner Schule, sie hätten diese Störung. Wie kommt’s?«
    »Dann bekommt man bei Prüfungen mehr Zeit.«
    »Genau. Es ist Betrug. Die Eltern sagen den Ärzten, sie glauben, ihre Kinder hätten ADS, und die Ärzte spielen mit, und im Handumdrehen haben alle ADS, sodass sie bei Prüfungen mehr Zeit und damit die Chance auf bessere Noten bekommen.«
    »Ist das nicht ein guter Grund, ADS zu haben?«
    »Nein. Und ich weiß auch von der Ritalinschiebung.«
    »Das heißt?«
    »Ritalin ist das Medikament der Wahl bei ADS. Ritalin hilft einem, sich zu konzentrieren. Es hat darüber hinaus die nützliche Eigenschaft, einen vierundzwanzig Stunden lang wach und geistig voll da zu halten. Wenn man für eine Collegearbeit mal eine Nachtschicht einlegen muss, schafft man es damit. Die Kids, die behaupten, ADS zu haben, bekommen also Ritalin verschrieben, und dann verhökern sie es an andere vom College. Glaubst du, ich weiß das nicht?«
    »Und worauf willst du hinaus?«
    »Die Tatsache, dass es für etwas einen Markt gibt, bedeutet noch lange nicht, dass es richtig ist.«
    »Mommy sagt nicht, dass ich kein ADS habe.«
    »Was sagt sie denn?«
    »Sie sagt, sie weiß es nicht.«
    »Deine Mutter ist Anwältin.«
    »Du hältst dich wohl für wahnsinnig gescheit!«
    »ich bezahle deine Schulgebühren. Und deine Privatlehrer. Letztes Jahr hattest du einen für Mathe, einen für Naturwissenschaften und noch einen, um dich auf die Eignungstests fürs College vorzubereiten. Deine Mutter besteht ja darauf. Du hast so viele verdammte Privatlehrer, dass ich gar nicht weiß, wozu ich überhaupt noch Schulgebühren für dich zahle. Aber für ADS zahle ich nicht! Das ist endgültig. Und ich möchte dir noch etwas sagen. Amerika ist voll von Kids, die keine Privatlehrer, Tutoren oder sonst was haben und die sich einfach auf ihre vier Buchstaben setzen und ihre Tests und Aufnahmeprüfungen ohne jede fremde Hilfe über die Bühne bringen.«
    »Die kommen dann auch nicht auf die besten Colleges.«
    »Weißt du was? Du irrst dich. Zu meiner großen Freude schaffen es einige von ihnen durchaus.«
    Gorham schüttelte den Kopf. Man konnte natürlich sagen, dass er sich das selbst eingebrockt hatte, indem seine Kinder wie privilegierte Porzellanpüppchen aufgezogen wurden, genau weil er das Beste für sie wollte, und jetzt bekam er die Rechnung serviert. Doch es ging nicht nur um seine eigenen Kinder, die zwar ein wenig verwöhnt, aber grundsätzlich gut geraten waren. New York, hatte er den Eindruck, war lediglich die Spitze eines allgemeineren Problems.
    Man musste sich nur anschauen, was passierte, wenn mal eines der Kinder krank wurde. Gleich Antibiotika. Und es war nicht nur in New York oder in Amerika so. Er hatte Freunde in Europa, die ihm erzählten, die »besseren« Ärzte würden es dort auch nicht anders machen. Antibiotika verschreiben und keine Risiken eingehen. Das einzige Problem bestand darin, dass die Kinder auf diese Weise keine natürlichen Abwehrkräfte entwickelten. Eines Tages kamen dann neue, antibiotikumresistente Keime, und dann

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