Im Rausch der Freiheit
zusammen, stimmt’s?« Natürlich antwortete ich mit einem Ja.
»Ihr habt euch nicht gestritten?«
»Nein, es gab nie ein böses Wort zwischen uns«, sagte ich.
Sie schwieg ein, zwei Augenblicke lang, bevor sie sagte: »Grausame Worte sind etwas Schreckliches, Quash. Manchmal bedauert man sie. Aber was einmal gesagt ist, lässt sich nicht wieder zurücknehmen.«
Ich wusste nicht, was ich darauf hätte sagen sollen, also arbeitete ich einfach weiter. Nach einem kurzen Moment nickte sie vor sich hin und ging ins Haus.
*
Im Herbst dieses Jahres bekam die Herrin eine neue Sklavin, die Naomis Platz einnehmen sollte, und ich bin ziemlich sicher, sie glaubte, dass sie auch in meinem Leben einen Platz finden würde. Aber obwohl sie keine schlechte Frau war, verstanden wir uns nicht besonders gut; und um die Wahrheit zu sagen, glaube ich nicht, dass irgendjemand Naomi hätte ersetzen können.
Mein Sohn indes war mir ein großer Trost. Da wir nur noch einander hatten, verbrachten wir viel Zeit miteinander. Hudson war ein hübscher Junge mit guten Anlagen. Nie wurde er es müde, zum Hafen zu laufen. Von den Matrosen dort ließ er sich Seemannsknoten beibringen. Ich glaube, er kannte jeden Knoten, den es überhaupt gibt. Er schaffte es sogar, Muster zu knüpfen. Ich brachte ihm alles bei, was ich konnte, und ich erzählte ihm von meiner Hoffnung, dass wir eines Tages, wenn der Baas es erlaubte, beide frei sein könnten. Aber ich sprach nicht zu viel darüber, weil ich nicht wollte, dass er sich allzu große Hoffnungen machte oder enttäuscht wäre, wenn es noch eine ganze Weile nicht gelänge, uns beide freizubekommen. Es bereitete mir immer Freude, wenn ich ihn auf der Straße an meiner Seite hatte. Oft legte ich ihm, während wir gingen und ich zu ihm sprach, die Hand auf die Schulter; und als er größer wurde, hob er manchmal seinerseits die Hand und legte sie auf meine Schulter.
Für die Herrin waren das schwierige Zeiten. Sie war noch immer eine gut aussehende Frau. Ihr strohblondes Haar war zwar grau geworden, aber ihr Gesicht hatte sich nicht allzu sehr verändert. In diesen Jahren allerdings bekam sie immer mehr Falten, und wenn sie traurig war, fing sie an, alt auszusehen. Nichts schien nach ihren Vorstellungen zu laufen. Denn obwohl die meisten Menschen in der Stadt nach wie vor Niederländisch sprachen, schien es jedes Jahr mehr englische Gesetze zu geben.
Dann wollten die Engländer, dass ihre Kirche – die anglikanische Kirche, wie sie sie nannten – die führende Konfession am Platz würde. Und der Gouverneur sagte, egal in welche Kirche man ging, müsse man trotzdem Geld für den Unterhalt der anglikanischen Priester bezahlen. Das erzürnte viele Leute, besonders die Herrin. Aber einige Dominees waren so begierig, es dem Gouverneur recht zu machen, dass sie sich nicht beklagten und sogar anboten, ihre Kirchen mit den Anglikanern zu teilen, bis diese ihre eigenen gebaut haben würden.
Zumindest hatte sie ihre Familie. Wobei der Baas allerdings trotz seiner über sechzig Jahre ständig beschäftigt war. Da der Krieg von König Wilhelm III. gegen Frankreich nie zu enden schien, liefen ständig neue Kaperschiffe aus; und der Baas und Mr Master hatten damit alle Hände voll zu tun. Gelegentlich fuhr er den Fluss hinauf, um Felle einzukaufen. Einmal segelte er zusammen mit Mr Master die Küste entlang hinunter nach Virginia.
Die Herrin weilte oft bei Jan, der nicht weit entfernt wohnte, und sah ihre Enkelkinder. Und Clara war ihr eine Stütze. Allerdings war sie oft außer Haus, und ich schätze, die Herrin fühlte sich dann einsam.
*
An einem Sommernachmittag, kurz nachdem der Baas und Mr Master aus Virginia zurückgekehrt waren, versammelte sich die ganze Familie im Haus zum Abendessen. Jan und seine Frau Lysbet waren da und ihre Töchter und Juffrouw Clara. Hudson und ich bedienten am Tisch. Alle waren vergnügt. Und wir hatten gerade zum Abschluss der Mahlzeit den Madeira aufgetragen, als Juffrouw Clara aufstand und sagte, sie habe etwas mitzuteilen.
»Ich habe eine gute Nachricht«, sagte sie und sah sie alle an. »Ich werde heiraten.«
Die Herrin schaute sehr verblüfft drein und fragte, wen sie denn heiraten wolle.
»Ich werde den jungen Henry Master heiraten«, erklärte sie.
Also, ich hatte gerade einen Teller in der Hand, und ich hätte ihn beinahe fallen lassen. Die Herrin starrte Juffrouw Clara ungläubig an.
»Den jungen Master!«, rief sie aus. »Er ist ja nicht einmal
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